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Es schlägt 19

■ Erst nach vier Jahren bekommen nachgezogene Ehefrauen Aufenthaltsrecht. Ihre Unsicherheit ist harte Munition im Ehekrieg

Aische ist vor sechs Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen, um einen Deutschen zu heiraten. Nun soll sie zwangsweise in ihr Heimatland abgeschoben werden. Bereits kurz nach der Eheschließung fing ihr Mann an, sie zu schlagen und zu mißhandeln. Zwei Jahre hielt sie die Tortur durch. 1994 ging ihr Mann zum Ausländeramt und gab an, daß er nicht mehr mit Aische zusammenlebe. Die Behörde reagierte prompt und verfügte – ohne die Frau zuvor angehört zu haben – ihre Abschiebung. Der Beschluß wurde zunächst durch das Verwaltungsgericht Köln und später auch vom Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt. Begründung: Die Eheführungszeit des Paares betrug nur dreieinhalb Jahre.

Paragraph 19 des Ausländergesetzes sieht vor, daß ausländische EhepartnerInnen erst nach vollen vier Jahren – in Härtefällen schon nach drei Jahren – ehelicher Lebensgemeinschaft ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erwerben können. Aische fehlen also 90 Tage.

Mit Fällen wie dem von Aische wird der Verein „Ausländerhilfe“ in Köln immer wieder konfrontiert. Rechtsanwalt Victor Bohry, der für die Rechtsberatung zuständig ist, meint, daß sich alle Fälle, die er zu bearbeiten habe, nach einem ganz bestimmten Muster abspielen: Heirat, Zusammenleben, Gewalt, Unterdrückung, Machtausübung, Trennung. Im Prinzip ändert sich nur der Name; der Ablauf bleibt gleich.

Das nach Paragraph 19 des Ausländergesetzes abgeleitete Aufenthaltsrecht treibt die EinwanderInnen in eine Abhängigkeit – sowohl rechtlich als auch menschlich. Im Falle einer Trennung kann der betroffene Partner einfach abgeschoben werden. Diese Rechtslage wird in den letzten Jahren zunehmend von deutschen und nichtdeutschen Männern als Druckmittel im Eheleben eingesetzt. Es genügt ein Telefonanruf beim Ausländeramt – und das Aufenthaltsrecht der Ehefrau hier in Deutschland wird beendet. Oft versuchen Ehemänner, Rechtshilfe vom Verein „Ausländerhilfe“ in Köln zu erhalten.

Ismet Jasici, Vorstandsvorsitzender des Vereins „Ausländerhilfe“ in Köln, berät hier lebende Ausländer. Das Schlimmste für ihn sei, daß ganze Familien von einigen restriktiven Bestimmungen des Ausländerrechts betroffen sind. So müssen kleine Kinder erleben, daß ihre Mütter abgeschoben werden. „So was darf in einem Rechtsstaat wie Deutschland nicht passieren!“ sagt Jasmet Jasici kategorisch und meint damit den Paragraph 19 des Ausländergesetzes, der den Ausländerbehörden die Möglichkeit gibt, sich in Familienangelegenheiten einzumischen und Frauen abzuschieben, noch bevor ihr Scheidungsverfahren beendet ist.

Am 14. November 1996 hat der Bundestag einer Änderung des umstrittenen Paragraphen 19 des Ausländergesetzes zugestimmt: Grundsätzlich soll es bei einer vierjährigen Ehe beziehungsweise einer dreijährigen Frist bei besonderen Härtefällen als Voraussetzung für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bleiben; eine einjährige Frist wird nur in außergewöhnlichen Härtefällen gewährt. „Härte“ bedeutet jedoch nicht etwa eine fortwährende Mißhandlung. Nur wenn die Frau in ihrem Herkunftsland beispielsweise durch Familienangehörige bedroht wird, weil sie angeblich traditionelle Normen oder ungeschriebene Gesetze verletzt habe, ist sie ein „außergewöhnlicher Härtefall“.

Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung 1996 die Änderung des Paragraphen 19 verweigert. Der Vermittlungsausschuß wurde Ende Januar angerufen – doch während seiner letzten Sitzung am 14. März kam er zu keinem Ergebnis. Ilona Lazarova

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