: Kairos Scheichs entdecken einen neuen vom Islam Abtrünnigen
■ Der Philosoph Hassan Hanafi interpretiert den Koran modern. Seine Widersacher wollen ihn vor Gericht stellen
Kairo (taz) – Radikale Islamisten haben in Ägypten einen neuen vom Islam Abtrünnigen ausgemacht. Ihr neustes Opfer ist der Philosophie-Professor Hassan Hanafi. Bekanntgeworden ist der Vorsitzende der ägyptischen Philosophen-Gesellschaft durch seine säkular-humanistischen Interpretationen des Islam.
Die wurden dem 62jährigen jetzt zum Verhängnis. Jahia Ismail, Generalsekretär der einflußreichen konservativen „Front der Ashar-Gelehrten“, bezichtigt Hanafi in einer Erklärung, für ein zerstörerisches Werk verantwortlich zu sein, gegen das die gesamte islamische Nation mobilisiert werden müsse.
Ismail kritisiert vor allem zwei Bücher Hanafis: „Vom Religiösen Glauben zur Revolution“ und „Islamisches Erbe und Erneuerung“. Besonders daß Hanafi schreibt, der Prophet Muhammad habe den Koran nicht direkt im Himmel empfangen, sondern lediglich eine Vision gehabt, stößt Ismail auf. Hanafi leugne die Wunder des Korans, klagt Ismail.
Auslöser für die Affäre war eine Vorlesung Hanafis vor 4.000 Studenten und Professoren der al-Ashar-Universität. „Hanafi verleugnet die Lehren des heiligen Korans und zwingt durch sein akademisches Amt seine Gedanken den Herzen und Köpfen der jungen Menschen auf“, schreibt Ismail.
Hanafi ist für Ismail ein Gesinnungsgenosse von Nasr Hamid Abu Said – einem anderen angeblichen Apostaten. Der ägyptische Linguistik-Professor und seine Frau Ibtihal Junis mußten 1996 in die Niederlande fliehen. Zuvor hatte ein Gericht ihn wegen seiner modernen Methoden, die Heiligen Bücher neu zu interpretieren, als vom rechten Glauben Abgefallenen gebrandmarkt und von seiner Frau zwangsgeschieden.
Scheich Jussuf al-Badri, ein selbsternannter islamischer Inquisitor, kündigte jetzt an, Hanafi wegen seiner Ansichten vor Gericht zu bringen. „Hanafi sollte aus der Kairoer Universität entlassen und eingesperrt werden“, erklärte er.
Die „Front der Ashar-Gelehrten“ bilden eine Gruppe erzkonservativer Professoren der al-Ashar-Universität, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Schriften zum Thema Islam zu überwachen. Offizielle Stellen der Universität, die als eine der wichtigsten Autoritäten im sunnitischen Islam gilt, haben sich von der Gruppe distanziert. Inzwischen erklären auch Vertreter der Front, die Erklärung ihres Generalsekretärs sei nicht mit der Gruppe abgesprochen worden.
Ägyptische Menschenrechtsgruppen verurteilten Ismails von der konservativen Zeitschrift Arabische Horizonte abgedruckte Erklärung zu Hanafi. Das „Zentrum für Menschenrechte und Rechtsberatung“ beschrieb die neueste islamistische Attacke gegen einen liberalen Intellektuellen als „eine moralische Liquidierung, die zur physischen Liquidierung führen könnte“. Die Menschenrechtsorganisation EOHR fürchtet, Ismails Erklärung könne von „extremistischen Gruppen als legaler Deckmantel genutzt werden, um Hanafi zu ermorden“. Einige Gruppen glaubten, „daß es ihre Pflicht ist, die Todesstrafe gegen Apostaten unmittelbar auszuführen“.
Solche Befürchtungen sind nicht aus der Luft gegriffen. So wurde der ägyptische Schriftsteller Farag Foda vor fünf Jahren nach ähnlichen Vorwürfen von militanten Islamisten auf offener Straße erschossen.
Hanafi wahrt zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen bisher Schweigen. Am Telefon läßt er sich entschuldigen. Karim El-Gawhary
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