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Eine Million Mark für den „Todesengel“

■ Markt Berolzheim will, daß verurteilte Krankenschwester auf freiem Fuß bleibt

Nürnberg (taz) – Im letzten Jahr geisterte sie als „Todesengel“ durch die Schlagzeilen der Boulevardpresse. Jetzt sammelte ein mittelfränkisches Dorf in nur vier Tagen für eine Krankenschwester über eine Million Mark. Damit wollen die Bewohner von Markt Berolzheim im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen erreichen, daß die wegen versuchten Mordes zu fünf Jahren Haft verurteilte Frau bis zur Revisionsverhandlung auf freiem Fuß bleiben kann. Die Marktgemeinde selbst verpfändete sogar ihren Notgroschen, um eine Bürgschaft in Höhe von 180.000 Mark zu übernehmen. Dagegen schritt nun das Landratsamt ein.

Der Fall der ehemaligen leitenden Stationsschwester am Treuchtlinger Krankenhaus sorgt seit Dezember 1994 bundesweit für Aufsehen. Damals war Marianne R. von Kolleginnen bezichtigt worden, im Juni 1994 einer 85jährigen unheilbar krebskranken Patientin zwei Spritzen mit dem starken Beruhigungsmittel Dormicum gegeben zu haben, um die Frau zu töten. Schon damals glaubte in Markt Berolzheim, dem Heimatort der dreifachen Mutter, niemand diesen Vorwürfen. Die Staatsanwaltschaft Ansbach stützte sich in ihrer Anklage hauptsächlich auf die Aussagen der mit der Beschuldigten verfeindeten Kolleginnen.

Am vergangenen Mittwoch fällte das Schwurgericht Ansbach sein Urteil – fünf Jahre wegen versuchten Mordes. Schon unmittelbar nach dem Richterspruch kam es zu tumultartigen Szenen. Als Motiv führte das Gericht an, Marianne R. sei überfordert und durch ihre pflegerische Arbeit abgestumpft gewesen. Sie habe die Frau töten wollen, um sich die Arbeit zu erleichtern. Sie habe gegenüber einem Assistenzarzt zugegeben, „etwas Dormicon“ gespritzt zu haben. Außerdem habe sie schon einmal einem Arzt, der für einen Patienten ein Herzmittel geordert hatte, absichtlich eine wirkungslose Kochsalzlösung überreicht. Die Verteidigung von Marianne R. ordnete dagegen alle belastenden Aussagen einem „Komplott“ zu. Sie habe im Krankenhaus den Schlendrian beseitigen wollen und sich so die Feindschaft der dort Beschäftigten zugezogen.

Gerade das vom Gericht unterstellte Motiv empörte die Berolzheimer, die Marianne R. für eine besonders aufopferungsvolle Krankenschwester halten. Daß die Mutter von drei Kindern sofort nach dem Urteilsspruch wegen Fluchtgefahr inhaftiert wurde, brachte das Faß zum Überlaufen. Der Pfarrer, der Dorfarzt und auch Bürgermeister Hermann Bauer initiierten eine Spendensammlung, um dem Gericht eine Kaution anbieten zu können. Auch die, die nicht unbedingt von der Unschuld der Angeklagten überzeugt waren, beteiligten sich daran, weil sie die Inhaftierung der Krankenschwester bis zur Revisionsverhandlung für unangebracht hielten. Einstimmig beschloß der Markt Berolzheimer Gemeinderat, in dem auch Marianne R.s Mann für die Bündnisgrünen sitzt, den Notgroschen der Marktgemeinde in Höhe von 180.000 Mark für die Kaution zur Verfügung zu stellen.

„Eine Gemeinde darf keine Mittel für private Zwecke abzweigen“, so Klaus Wagner vom zuständigen Landratsamt in Weißenburg. Die Kommunalaufsicht hat deswegen den Beschluß einstweilen außer Kraft gesetzt, bis die kommunalrechtliche Prüfung abgeschlossen ist. Bernd Siegler

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