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Spülfeld aufs Naturschutzgebiet

Streit um Pagensand: Baggergut aus der Elbe soll auf der Insel aufgeschüttet werden und den einzigen Bewohner vertreiben  ■ Von Heike Haarhoff

Ein Spülfeld für Baggergut aus der Elbe mitten im Naturschutzgebiet Pagensand: Was sich liest wie ein grobes Umweltvergehen, soll auf der schleswig-holsteinischen Elbinsel vor den Toren Hamburgs bereits 1998 Wirklichkeit werden. Zwei Millionen Kubikmeter Feinsand aus den Flußtiefen will das zuständige Wasser- und Schiffahrts-amt (WSA) in Hamburg auf den ökologisch wertvollen Wiesen von Pagensand aufschichten, wenn die Fahrrinnen der Elbe zwischen Cuxhaven und der Hansestadt von 12,80 auf 13,80 Meter vertieft werden. Das bestätigte WSA-Baudirektor Jörg Osterwald gestern der taz. Der „Hügel“würde 5,60 Meter hoch und mindestens sechs Prozent der Inselfläche bedecken.

Gegen den Willen des Kieler Umweltministeriums: „So einfach geht das nicht“, empörte sich Sprecherin Claudia Sieg gestern. Am vergangenen Freitag erst hatte der grüne Umweltminister Rainder Steenblock die Elbinsel feierlich unter Naturschutz gestellt (taz berichtete). Baggergut, zitiert Sieg ihre hauseigene Verordnung, dürfe deshalb ab sofort nur noch ausnahmsweise und „in geringem Umfang“aufgespült werden, „wenn es sich um Unterhaltungsgut handelt“. Soll heißen: Nur Flußboden, der ausgebaggert werden muß, um die Fahrrinnentiefe zu halten, darf weiterhin nach Pagensand. Was dem weiteren Ausbau der Elbe dient, dagegen nicht.

Keinesfalls, so Sieg, sollten weitere Teile der Insel dem Baggergut geopfert werden. Pagensand ist eine Kunstinsel, die aus den ersten Aufspülungen der 60er Jahre entstand und seitdem kontinuierlich gewachsen ist – und im Laufe der Jahre von Pflanzen überwuchert wurde. „Es wäre wohl kaum im Sinne eines Naturschutzgebiets, dafür neue Flächen auszuweisen“, befindet Sieg spitz und hat das Thema damit für sich erledigt.

Für das Wasser- und Schiffahrtsamt hingegen hat der Streit erst begonnen. „Eine völlig neue Wendung“vernehme er da aus Kiel, poltert Osterwald zurück. „Für hoheitliche Aufgabenerledigung gibt es Ausnahmen“, weiß er. Alle Elb-Anrainer-Länder hätten sich „längst“auf den Standort Pagensand geeinigt. Das Baggergut sei überdies „unbelastet“und „muß schließlich irgendwo hin“. Anders als der Löwenanteil des Baggerguts (23 Millionen Kubikmeter) könnten die zwei Millionen Kubikmeter Feinsand nicht durch Umlagerungen im Fluß verstaut werden: „Die halten der Strömung nicht stand.“

Widerstand gegen die Spülfeld-Pläne regt sich auch auf der Insel: Denn die Hügeldeponie soll genau dorthin, wo Gerd Herbst, Landwirt und einziger ganzjähriger Insulaner, seit 1994 seine Tiere weidet und Felder bestellt. „Er muß weg von der Insel“, sagt Baudirektor Osterwald. Eine Verlegung des Spülfelds auf einen anderen Inselteil sei „von allen Seiten nicht erwünscht“. Deshalb habe das Bundesvermögensamt als Inseleigentümerin dem Bauern den Pachtvertrag – ohne eine Entschädigung anzubieten – schon zum 31. März gekündigt.

Erfolglos: Gerd Herbst stellt sich stur und will notfalls „bis in die letzte Instanz“gegen die Ausweisung von der Insel klagen. Dabei könnte ihm das Umweltministerium zu Hilfe kommen. Denn Wohnen sei im Naturschutzgebiet „nicht grundsätzlich ausgeschlossen“.

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