: Der „Erfinder“ des dritten Geschlechts
■ Magnus Hirschfeld propagierte die Emanzipation der Homosexuellen
Ob er selber schwul war, hat Magnus Hirschfeld nie bekannt. Ein Outing, das wußte der Mann, der am 14. Mai 1868 als siebtes von acht Kindern eines jüdischen Ehepaares in Kolberg geboren wurde, würde ihn die Zulassung als Arzt kosten. Zudem wäre sein öffentlicher Einfluß gemindert: Als Betroffener wäre seine Autorität als Mediziner untergraben. Doch auch ohne dieses Bekenntnis war der prominenteste Mann der deutschen Homobewegung Zielscheibe des Hasses völkischer und nationalkonservativer Kreise.
Wie sein Vater wollte Magnus Hirschfeld Medizin studieren – die Modewissenschaft galt als akademische Eintrittskarte in die besseren Kreise. 1892 promovierte er mit einer Arbeit über „Erkrankungen des Nervensystems im Gefolge der Influenza“. Nach einigen Jahren in Magdeburg als Arzt für Naturheilverfahren siedelte Hirschfeld ein Jahr vor Gründung der ersten deutschen Schwulenbewegung ins Dorado der Homos, nach Berlin, über.
Der Umzug nach Charlottenburg war zugleich der Beginn seiner Karriere als Kopf der deutschen Homobewegung bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933. In zahllosen Petitionen und mit geduldiger Lobbyarbeit, angefeindet von der konservativ-militärischen Elite Deutschlands, trug Hirschfeld und sein Wissenschaftlich-humanitäres Komitee (WhK) maßgeblich dazu bei, daß der Reichstag 1929 im Rechtsausschuß eine Liberalisierung des Paragraphen 175 mit knapper Mehrheit von Sozialdemokraten, Kommunisten und einigen Liberalen billigte. Der Gesetzentwurf gelangte allerdings nie zur Abstimmung ins Plenum.
Danach legte Hirschfeld nach 32 Jahren den WhK-Vorsitz nieder, um auf eine lang erhoffte Weltreise zu gehen. Von dieser kehrte der „Erfinder“ des dritten Geschlechts jedoch nicht nach Berlin zurück: Die Nazis hatten seine Bücher verboten, sein Institut für Sexualwissenschaft in Berlin geplündert. Magnus Hirschfeld starb 1935 an seinem 67. Geburtstag im französischen Exil in Nizza an Herzversagen.
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