piwik no script img

„Schneller, als man es ihnen zutraut“

■ Internationales Rollstuhltennis-Turnier: Interview mit dem Organisationschef Holger Glinicki

Reinbek ist zu Pfingsten Austragungsort das 9. Internationalen Rollstuhltennis-Turniers des RSC Hamburg. Über das Selbstbild behinderter SportlerInnen und steigende Professionalisierung sprach die taz zuvor mit Organisationschef Holger Glinicki. Der 43jährige wird neben vielen anderen SpitzenspielerInnen aus Deutschland und Europa selbst beim Satellite-Turnier starten, der zweithöchsten Kategorie der „International Wheelchair Tennis Foundation“(IWTF). „Ich will gewinnen“, sagt der momentan beste Hamburger Aktive. Glinicki, der halbtags in der Umweltbehörde arbeitet, ist wegen eines Motorradunfalls seit 1972 hüftabwärts gelähmt.

taz: Wie sehen Sie Ihre Rolle als Rollstuhltennisspieler?

Holger Glinicki: Bei unserem Turnier bin ich eindeutig Sportler. Die Spieler kommen, um Weltranglistenpunkte zu gewinnen. Aber wenn jemand mit Rollstuhlsport anfängt, bedeutet gerade die Tennisspielerei auch Integration, allein weil wir auf derselben Anlage wie die Fußgänger spielen.

Bei anderen Sportarten ist das nicht so?

Meistens. Rollstuhlbasketballer bleiben beispielsweise unter sich. Die Leistungsunterschiede sind dort größer. Wir spielen mit Fußgängern sogar gemischte Doppel. Gute Rollifahrer können gegen gute Fußgänger mithalten. Viele sind überrascht, wie schnell die Leute zum Ball kommen.

Also keine Unterschiede zum „Fußgängertennis“, außer daß sie im Rollstuhl spielen und der Ball zweimal aufkommen darf?

Doch, natürlich. Im Vergleich Weltspitzte gegen Weltspitze wären die Unterschiede enorm. Aber Rollstuhlfahrer sind wendiger und schneller, als man es ihnen zutraut.

Wie viele nicht-behinderte ZuschauerInnen sehen dabei zu?

Sehr viel mehr als Behinderte. Der Großteil, würde ich sagen. Die meisten sind Bekannte, Verwandte oder Leute, die auf der Anlage rumlaufen. Allein wegen des Turniers kommen nur wenige.

Die erwarten wohl nicht viel vom Rollstuhltennis.

Das ist oft so. Aber bei Fußgängern, die erstmals dabei sind, ist die Verwunderung riesengroß, wenn sie die guten Spiele sehen.

Mischt sich da Mitleid mit Respekt?

Ich glaube, das sieht keiner so, der diesen Sport intensiv betreibt. Wir haben einen anderen Blickwinkel. Wer aus dem Wettkampfbereich kommt und mitkriegt, wieviel Arbeit diejenigen investieren, die mit dem Rollstuhltennis zu tun haben, bewertet das mehr von der eigenen Seite aus und nicht so sehr von der der Fußgänger. Allein für Mitleid und Respekt würde das keiner tun.

Vielleicht wegen des Geldes?

Es gibt wie bei den Fußgängern Hobbyspieler und Profis. Die ersten 20 der Welt spielen bis zu 18 Turniere im Jahr. Die können vom Tennis leben. Da gibt es kaum einen Unterschied zum Fußgängertennis, weder von der sportlichen Qualität, noch vom organisatorischen Aufwand.

Wie professionell ist Rollstuhltennis hierzulande?

Das Ausland ist viel weiter, die USA sind fast zehn Jahre voraus. Wir haben für unser Turnier mit einer Ausnahme nur Sponsoren aus dem Reha-Bereich. Mit 3000 Mark ist unser Gesamtpreisgeld niedrig. Bei großen Turnieren sind fünfstellige Summen üblich.

Ist mehr Professionalität wünschenswert?

Wir bieten statt viel Geld eine familiäre Atmosphäre. Dieses Jahr organisiert der Verein für alle Spieler einen Musical-Besuch. Trotzdem wären 10.000 Mark Preisgeld nicht schlecht, dann kämen auch bessere Spieler.

Halten Sie es für möglich, daß Behinderte und Nicht-Behinderte irgendwann gemeinsam am Rothenbaum Tennis spielen?

Solange im Mai und auf Sand gespielt wird, ist das nicht drin. Bei dem vielen Regen würden wir nur den Platz ruinieren.

Fragen: Jan Freitag

„9. Reha-Team Hamburg Open“: heute ab 13 Uhr, an den Pfingsttagen jeweils ab 10 Uhr, Sportpark Reinbek, Hermann-Körner-Straße 49, Eintritt frei

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen