: Werbung darf weh tun
■ BGH erlaubt Togal-Anzeigen, die Politikverdrossenheit anstacheln
Freiburg (taz) – Unternehmen dürfen mit Politikverdrossenheit Werbung machen. Dies entschied am Donnerstag abend der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Er lehnte dabei eine Klage gegen den Schmerzmittelhersteller Togal ab, der 1993 mit vier Spiegel-Anzeigen in populistischer Manier Bonner Mißstände angeprangert hatte.
„Die Anzeigen haben der Vorstandsvorsitzende und ich selbst getextet“, erinnert sich stolz der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Togal AG, Manfred Schmitz. Die Marketing-Abteilung sei aber gar nicht begeistert gewesen. Wer die Anzeigen gelesen hat, kann das durchaus verstehen. „Gewisse Politiker bereichern sich am Staat, reisen auf Kosten der Steuerzahler. Haften die Vertreter des Volkes für gar nichts und mit welchem Recht???“ hieß es etwa. Unterschrieben waren die Anzeigen von Günther J. Schmidt, dem Vorstandsvorsitzenden und Alleinaktionär der Togal AG.
Das Echo war dann aber doch positiver als von der Marketing- Abteilung befürchtet. „Wir haben sehr viele zustimmende Briefe bekommen“, freut sich Schmitz heute noch. Nicht so gefreut hat sich aber Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, die eine Klage der „Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs“ veranlaßte. Vor dem Münchener Landgericht hatten die Wettbewerbshüter zuerst sogar Erfolg. Die Togal-Werbung sei „sittenwidrig“, weil hier Emotionen angesprochen würden, ohne daß den Aussagen irgendein Informationsgehalt zukomme.
Dem wollte der BGH aber nicht folgen. Im Gegensatz etwa zur sittenwidrigen Benetton-Werbung fehle den Togal-Anzeigen die „tiefgreifende emotionale Einwirkung auf den Betrachter und deren Ausbeutung zu kommerziellen Zwecken“. In diesem Rahmen dürfe ein Unternehmen auch mit politischen Themen Werbung machen. Dies sei schließlich, so der BGH, auch vom Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Für rechtswidrig wurde nur eine der Anzeigen erklärt. Dort war in einem Anflug von Ironie der Passus angefügt worden: „Das ist unfaßbar! Gegen diese Art von Schmerzverursachung helfen mir nicht einmal mehr meine Tabletten.“ Der BGH sah hierin eine Heilmittelwerbung, bei der Togal dann aber auch auf Nebenwirkungen und Gegenanzeigen hätte hinweisen müssen. (Az.: I ZR 10/95)Christian Rath
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