: Ruhig geblieben, Skandal ausgesessen
■ Der Macher der „Wehrmachtsausstellung“, Hannes Heer, sprach doch in der Kirche Unser Lieben Frauen
Mit höflicher Zurückhaltung und geringer Besucherresonanz hat die Kirchengemeinde Unser Lieben Frauen gestern Nachmittag einen möglichen Skandal ausgesessen. Denn kein geringerer als Hannes Heer, der für die umstrittene „Wehrmachtsausstellung“des Hamburger Instituts für Sozialforschung verantwortliche Historiker, eröffnete die Schau mit Bildern der Fischerhuder Malerin Mietje Bontjes van Beek. Mit „Liebe Mimi“, wandte sich der Ausstellungsmacher an die anwesende 75jährige, und mit „Liebe Mimi“machte er auch vor den älteren Skeptikern im Kirchenschiff deutlich, daß im Generationenschreck menschliche Züge schlummern.
Wie berichtet, fuhr den in Bremen Bauherrn genannten Kirchenvorständlern der Schreck in die Glieder, als sie von der Rednerliste erfuhren. Neben Alt-Bürgermeister Hans Koschnick sollte ausgerechnet Hannes Heer über die Bilder sprechen. Dem Vernehmen nach eher unbedarft hatte Ausstellungsmacher Dirk Lembeck den Historiker eingeladen – erstens, weil er wußte, daß Heer und Mietje Bontjes van Beek seit zehn Jahren freundschaftliche Verbindungen pflegen. Und zweitens, weil er nicht ahnte, welch' nahezu teuflische Figur einige BremerInnen in ihm erkennen. Die honorigen Laien wollten Heer wieder ausladen. Doch nach zähen Verhandlungen ließen sie sich überzeugen, daß dieser Schuß nach hinten losgehen könnte. Statt Schweigen in der Gemeinde hätte es einen Skandal gegeben. Ein Kompromiß mußte her, und der sah vor, vorab keinen großen Rummel um die Ausstellung zu machen. Die Rede Hannes Heers war gebongt, das „Liebe Mimi“wurde möglich.
Keine normale, sondern eine aufschlußreiche Ansprache beschallte so den Saal und hallte von den Kirchenwänden wider. Denn Hannes Heers Herangehen an das heikle Thema scheint eher journalistisch-menschelnd als wissenschaftlich-trocken inspiriert zu sein. Und Menschen wie Mietje Bontjes van Beek haben ihren Anteil daran.
Schon 1985 habe sich die „Liebe Mimi“an ihn gewandt, erklärte Hannes Heer. Ihr Mitbringsel war eine Blechdose mit Kassibern, die Mietje als junge Kunststudentin im Berlin der 40er Jahre mit französischen Kriegsgefangenen ausgetauscht hatte. Das anschließende Gespräch zwischen Bontjes van Beek und Heer hatte gleich mehrere Folgen: Hannes Heer verfilmte die Geschichte; Mietje Bontjes van Beek begann damit, sich den Erinnerungen an die Berliner Jahre zu stellen, und beide blieben im Kontakt.
Ausgehend von den Biographien kehrt Hannes Heer genau dorthin wieder zurück. Was der Chef des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Jan Philipp Reemtsma, „den stillschweigenden Generationenvertrag über das Stillschweigen“nannte, brechen Hannes Heer und Mietje Bontjes von Beek auf unterschiedliche Weise auf. Die Malerin durch ihre Bilder in der Kirche und Heers Ausstellung ab 28. Mai im Bremer Rathaus. ck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen