: Post für Bärbel Bohley
■ Das Bürgerbüro gegen DDR-Unrecht bilanziert das erste Jahr seiner Arbeit
Berlin (taz) – Vielleicht war es das schlechte Gewissen, daß Ehrhart Neubert auf der gestrigen Pressekonferenz gleich fünf engbeschriebene Seiten über die bisherige Arbeit des Bürgerbüros vorlegen ließ. Es wirkte wie eine Art überzogenes Zeichen: Seht her, wir arbeiten wirklich.
Vor einem Jahr war das Büro von einer Gruppe von Bürgerrechtlern um die Malerin Bärbel Bohley gegründet worden. Schlagzeilen hat es bislang nur gemacht, weil Helmut Kohl der Geburtshelfer war – und der Finanzmakler. Auf Bitten des Bundeskanzlers hin haben die Medienmultis Bertelsmann und Kirch dem Bürgerbüro 100.000 bzw. 50.000 Mark gespendet. Bärbel Bohley mußte sich daraufhin den Vorwurf gefallen lassen, sie helfe Helmut Kohl lediglich dabei, sich als Rettungsanker für DDR-Opfer darzustellen, und würde sich im Gegenzug für die Rote-Socken-Kampagne der CDU instrumentalisieren lassen. Der Bürgerrechtler Reinhard Schult nannte den Verein ein „Staatsrats-Eingabenbüro“.
Ehrhart Neubert, einer der DDR-Bürgerrechtler, die vor kurzem in die CDU eingetreten sind, und stellvertretender Vorsitzender des Bürgerbüros, kam es gestern darauf an, genau diesen Vorwurf zu entkräften. Detailliert beschrieb er die Arbeit des Vereins, der sich als überparteiliche Einrichtung versteht und vor allem zwei Schwerpunkte gesetzt habe: Beratung und Hilfe für SED-Opfer und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für deren Belange.
Nach Angaben von Neubert haben das Büro, das inzwischen eine Sachbearbeiterin und zwei ehemalige Oppositionelle – Angelika Barbe und Uwe Bastian – auf Halbtagsstellen als Berater beschäftigt, Hunderte von Zuschriften erreicht. Pro Woche würden sich etwa zehn Bürger mit neuen Anliegen an das Büro wenden. Sie beschweren sich über tatsächliche und vermutete Willkür durch SED-Altkader, die jetzt wieder in den Verwaltungen säßen. Sie bitten das Bürgerbüro auch um Hilfe gegen Behörden, die Ansprüche auf Entschädigung von Opfern abgewiesen haben. In dem Bürgerbüro sollen auch Interessengruppen von Betroffenen aufgebaut werden. Eine Selbsthilfegruppe von Stasi-Opfern arbeitet bereits. Jens König
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