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„Wehner war kein Verräter“

■ Günter Gaus verteidigt Herbert Wehner gegen Vorwürfe, die SPD in Ost-Berlin verraten zu haben

Berlin (taz) – Hat Herbert Wehner seine eigenen Genossen bei Erich Honecker und Erich Mielke verraten? Günter Gaus, von 1973 bis 1981 Ständiger Vertreter der Bundesrepublik in der DDR, bestreitet das. „Ich glaube unter gar keinen Umständen an Verrat“, sagte Gaus in einem taz-Interview.

Der ehemalige stellvertretende SPD- Vorsitzende und Fraktionschef der Partei habe zwar an den diplomatischen Kanälen vorbei Seitenwege in die DDR geöffnet und sich „das Recht auf Selbständigkeit herausgenommen“, meinte Gaus. Aber dabei sei Wehner nicht zu weit gegangen. Er habe Brandt und Schmidt in Ost-Berlin nicht verraten. Gleichwohl habe er sich bei seinen konspirativen Kontakten zu dem Rechtsanwalt Wolfgang Vogel von der DDR-Seite instrumentalisieren lassen. „Das hat unsere Position gegenüber der DDR verschlechtert“, sagte Gaus, der heute als Publizist arbeitet, der taz. Die neuen Vorwürfe werden in der heutigen Ausgabe des Stern erhoben. Das Magazin stützt sich dabei auf die Memoiren des ehemaligen DDR-Spionagechefs Markus Wolf, die noch im Mai erscheinen sollen. Wolf berichtet, daß ein konspirativer Kontakt der Staatssicherheit zu Wehner bereits etabliert gewesen sei, als er 1952 die Leitung der Auslandsaufklärung (HVA) im Ministerium für Staatssicherheit übernahm. Als Kontaktmann zur Stasi hätte damals ein Journalist fungiert. Seit Anfang der 70er Jahre habe der Ostberliner Anwalt Vogel den geheimen Kanal zu Wehner übernommen. Vogel, so Markus Wolf, sei für die Kontakte stets von Stasi-Chef Erich Mielke persönlich instruiert worden. Unter Berufung auf Protokolle berichtete Wolf dem Stern zufolge, „wie Wehner die DDR auf Verhandlungen mit der Bundesregierung vorbereitete..., wie er gegen die Ostpolitik von Willy Brandt intrigierte (und) vor Kanzler Helmut Schmidt warnte“. Jens König

Bericht und Interview Seite 4

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