Die Folgen einer Dienstreise

■ Der Fall des Afrikakorrespondenten Udo Ulfkotte dokumentiert die Nähe des Ölmultis zur "FAZ", den Vorwurf der "journalistischen Prostitution" bestreitet die Zeitung jedoch energisch

Weil er einen Bericht des Afrikakorrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), Udo Ulfkotte, auf einer Podiumsdiskussion als „journalistische Prostitution“ bezeichnet hatte, zieht die FAZ nun gegen den Kölner Journalisten Karl Rössel vor Gericht und klagt auf Unterlassung. Einziger Zeuge der FAZ: der Pressesprecher der Shell-Deutschland, Rainer Winzenried.

Ulfkotte war im vergangenen Oktober mit drei ausgewählten deutschen Zeitungsjournalisten nach Nigeria geflogen, um über das Ausmaß der Umweltzerstörung im Nigerdelta zu berichten. „Tagelang“ seien er und seine Kollegen im Hubschrauber über die Krisenregion Ogoniland hin- und hergeflogen. Einvernehmlich meldeten sie, was sie sahen: Überhaupt nichts! „Keine nennenswerte Umweltverschmutzung durch Shell, soweit das Auge reicht.“

Während die mitgereisten Kollegen in ihren Artikeln klarstellten, daß die Rundflüge in einem Shell-Hubschrauber stattfanden, fehlte einzig bei Ulfkotte jeglicher Hinweis auf die Regie des Ölmultis. Unerwähnt ließ Ulfkotte auch, wer die Journalisten ausgewählt, die Reise vollständig organisiert, abgewickelt und finanziert hatte: Shell. „Shell ist unschuldig. Die Vorwürfe, Shell habe das Nigerdelta überdurchschnittlich verschmutzt, haben sich eindeutig als Lügen entpuppt“, bilanzierte denn auch Shell-Reiseleiter und Pressesprecher Winzenried.

Die makellose Neutralität, die der ganzseitige FAZ-Artikel ausstrahlte, machte Autor Ulfkotte binnen zweier Wochen zum Shell- Vorzeigejournalisten. Seine Rechercheergebnisse – namentlich gekennzeichnet – wurden Bestandteil des offiziellen Shell-Werbevideos zum 1. Jahrestag der Hinrichtung Ken-Saro Wiwas – die FAZ so zum journalistischen Alibi. Die Londoner Konzernzentrale hatte das Video produzieren lassen, „um Fakten von Fiktion zu trennen“, und TV-Stationen in aller Welt über Satellit offeriert. Shell on air. Für den Kölner Journalisten Karl Rössel Grund genug, die Unabhängigkeit Ulfkottes auf einer Podiumsveranstaltung in Köln anzuzweifeln. Gehört hat Ulfkotte diese umstrittenen Äußerungen Rössels nicht. Die FAZ- GmbH und Nebenkläger Ulfkotte berufen sich in ihrer Klage ausschließlich auf die Aussage des Shell-Pressesprechers Winzenried.

Der hatte nämlich die Veranstaltung der Kölner Ken-Saro-Wiwa-Woche im November „inkognito“ besucht – eine offizielle Einladung zum Mitdiskutieren hatte er Wochen zuvor abgelehnt.

Nach einer Filmvorführung verlangte Winzenried einen Platz auf dem Podium, es kam zu einem Wortgefecht mit dem Journalisten Rössel. Unter tumultartigen Szenen mußte Winzenried den Saal verlassen. Den Anwälten der FAZ gab Winzenried zu Protokoll, Rössel habe behauptet, Ulfkotte sei von Shell „geschmiert“ worden, was Rössel bestreitet. Gerichtstermin ist nun der 28. Mai am Landgericht Köln. Hermann Rheindorf