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Bekömmliche Öko-Öhrchen

Erster Hamburger Ökoladen für Vierbeiner: Massage, Bachblüten-Therapie und Naturkost für das neurotische Haustier  ■ Von Heike Haarhoff

Paula hat keine Schwierigkeiten mit dem Entzug. Egal, ob getrocknetes Ohr von glücklichen Rindern oder kalorienarme Lunge: Die Substitution mit ökologisch wertvollem Futter macht der zweijährigen Hündin den Abschied von aromatisiertem und konserviertem Dosenfutter leicht.

Vielleicht liegt Paulas ungetrübte Freßlust aber auch bloß daran, daß sie Labrador-Hündin ist und damit zu den generell gefräßigen Genossen unter den Vierbeinern zählt. Bei anderen Hunden, sagt Imke Michahelles, kann die Futter-Umstellung von Fast-food auf Bio schon mal zu scheinbarer Appetitlosigkeit führen, besonders in den ersten Tagen. Denn das Öko-Futter, das die Tierheilpraktikerin seit einer Woche in Hamburgs erstem Naturkostladen für Hunde, Katzen und Pferde vertreibt, enthält keine Lockstoffe.

Gesünder und bekömmlicher aber sei es allemal für Herrchens und Frauchens Liebling, meint Imke Michahelles: „Die Zahl der Allergiker nimmt auch bei Tieren zu. Wir behandeln hier Haut- und Stoffwechselkrankheiten ohne Ende. Oft kann man da ganz viel über die Ernährung machen.“Algenextrakte beispielsweise regen die Leber- und Nierentätigkeit an – eine schmackhafte Prävention für „kastrierte Kater, die ansonsten wegen der engen Harnröhre leicht zu schmerzhaften Nierenstein-Bildungen neigen“. Und Kräuter im Hunde-Trockenfutter regulieren die Verdauung und damit alle Probleme mit der Bauchspeicheldrüse. Außerdem ist das Biofutter für Tiere – anders als schrumpelige Ökoschonkost für unsereins – nicht so sehr viel teurer als herkömmliches.

Mit diesem Wissen und einer ursprünglich in Lüneburg entwickelten Geschäftsidee wagten sich Imke Michahelles und ihre Kollegin Stefanie Kaerger jetzt nach Rellingen nördlich der Hamburger Stadtgrenze: Hier vermarkten die beiden Frauen nicht bloß Öko-Tierfutter, sondern heilen auf dem Ledertisch im Behandlungsraum nebenan die kranke Seele vieler Stadttier-Neurotiker gleich mit.

Während der dreijährigen Ausbildung zur Tierheilpraktikerin an einer Privatschule in Bad Bramstedt haben sie gelernt, daß homöopathische Eigenblut- oder Eigenurin-Therapie besser als Cortison nicht nur menschliche, sondern auch tierische Ekzeme heilt; daß Hüftgelenks-Verformungen bei großen Hunden oder Bandscheibenschäden qualgezüchteter Dackel nicht unbedingt operiert werden müssen, sondern auch mit Massage gelindert werden können. „Ich habe schon gelähmte Hunde wieder hingekriegt, die eigentlich hätten eingeschläfert werden sollen“, sagt Imke Michahelles. Bei schweren bakteriellen Entzündungen, Unfällen oder Impfungen allerdings überweise sie „selbstverständlich sofort“an staatsexaminierte Tierärzte.

Trotzdem schwankt deren Skepsis und auch die der Halter gegenüber den neuen Psycho-Heilerinnen zwischen verhaltener Mißachtung und blanker Ironie. „Was denn? Meine Katze auf die Couch? Die haben doch wohl einen Scha...“, empört sich eine Passantin. Ist eine Tier-Massage für 60 Mark die Dreiviertelstunde nicht irgendwie dekadent? Braucht eine rheumatische Katze ein Dinkel-spelzkissen? Oder tun wir bloß deshalb Tierheilkundler als Scharlatane ab, weil wir uns schämen, daß wir unsere eigenen Zivilisationskrankheiten (bewegungsloses Fressen, Einsamkeit, innere Unruhe) auf die Tiere übertragen haben? „Naja“, grinst Imke Michahelles, „wenn sich ein Windhundbesitzer, der nie spazieren geht, darüber wundert, daß sein Tier hyperaktiv ist, therapiere ich besser den Hundehalter.“

„Manchmal“, durchfährt es den Fotografen, als wir das Geschäft verlassen, „kommt es mir so vor, als wenn die Deutschen ihre Haustiere mit Kindern verwechseln.“Wieso, sage ich. Weihnachtskalender aus Rinderfilet und Gänseleberpastetchen für Waldis Osterschmaus fehlen doch im Sortiment. Richtig, sagt er. Weil sie unökologisch sind.

pet natura partner, Drosselstr. 61, Rellingen, % 04101-35280. Mo.,Di.,Do.,Fr. 10-13 und 15-18 Uhr, Sa 10-13 Uhr

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