: Arbeitslosigkeit wegsteuern
■ Beim grünen Hearing über Ökosteuern präsentierten die Skandinavier ihre Erfolgsstory. Die SPD-Länder gehen unterdessen in Richtung "Ökosteuer light"
Berlin (taz) – Die Neuerer kommen aus dem Norden. Auf dem grünen Hearing zur europaweiten Einführung von Ökosteuern konnten die skandinavischen Umweltminister gestern in Bonn die Ergebnisse ihre Ökosteuerpolitik präsentieren. Und die lassen sich sehen. Dänemarks Umweltminister Svend Aucken hat in den vergangenen vier Jahren durchgesetzt, daß alle Bereiche der dänische Volkswirtschaft Kohlendioxidsteuer zahlen. Mit Hilfe der Steuer will Dänemark seinen CO2- Ausstoß um 4,4 Prozent verringern und so einen wesentlichen Teil seiner Klimaschutzverpflichtungen abarbeiten.
Zwar läßt die dänische Regierung zahlreiche Ausnahmen von der Steuer zu, aber auch die Ausnahmeregelungen hat die Regierung in Kopenhagen noch so gestaltet, daß wer weniger Steuern zahlen will, zuvor mehr für das Energiesparen tun muß.
Die Dänen sind nicht nur ökologisch erfolgreich. Sie haben nach der ökologischen Umstellung des Steuersystems fast kein Haushaltsdefizit mehr (1996 betrug das Defizit nur noch 1,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts), die Wirtschaft wächst, und die Arbeitslosigkeit sinkt. Dänemark ist nach den Kriterien von Maastricht ein europäischer Musterschüler – trotz oder vielmehr gerade wegen der einseitig eingeführten Energiesteuern.
Der finnische Umweltminister Peeka Haavisto würde sein Land gern auf dem gleichen Weg zum Erfolg sehen. Schon 1990 habe Finnland eine ökologisch motivierte Energiesteuer eingeführt und 1994 durch einen Obulus für Atomstrom ergänzt. Damals legte die finnische Regierung sogar das Modell der EU-Kommission zugrunde, das die Kommission dann aber gegen den Widerstand der alten EU-Mitglieder Frankreich, Spanien und Großbritannien in der EU nicht durchsetzen konnte.
Doch das finnische Modell setzte darauf, daß die EU tatsächlich eine Energiesteuer einführt. Nachdem diese dazu den politischen Willen nicht aufbringen konnte, hat die finnische Regierung Anfang 1997 die Besteuerung noch einmal verändert. Die Steuer wurde leicht erhöht, vor allem aber auf eine Belastung des Endenergieverbrauch umgestellt, das heißt vor allem des Stroms aus der Steckdose.
Haavisto erinnerte noch einmal daran, daß Grundlage all dieser Steuerpläne die Beobachtung sei, daß weltweit der Energieverbrauch zu wenig kostet. Das Worldwatch Institut hatte vor Jahren ausgerechnet, daß der Verbrauch fossiler Energien weltweit jedes Jahr mit 230 Milliarden Dollar gestützt wurde. Solche Subventionen schaden aber eher der Konkurrenzfähigkeit der Industrie, weil deren Innovationslust dadurch nachläßt.
Die Bündisgrünen, die die nordischen Minister nach Bonn eingeladen hatten, haben mit eben jenem Hintergedanken gerade eine ausführliche Branchenanalyse des Instituts für empirische Wirtschaftsforschung an der Uni Osnabrück anfertigen lassen. Danach würde eine Energiesteuer nur 15 der wichtigsten 58 deutschen Industriebranchen belasten, für 43 Branchen wäre sie positiv.
Würde man die Einnahmen aus der Ökosteuer komplett nutzen, um damit die Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen zu senken, prognostizieren die Osnabrücker Wissenschaftler bis zu 1,5 Millionen zusätzliche Jobs.
Auch die SPD-regierten Bundesländer Schleswig-Holstein, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Hamburg haben sich vom DIW ein neues Ökosteuergutachten schreiben lassen. Die Größenordnung der SPD-Steuerpläne ist allerdings wesentlich kleiner. Nicht nur die Größenordnung. Auch die Ergebnisse der DIW- Forscher sind bei der Ökosteuer light weniger beeindruckend. Der Energieverbrauch schrumpft nicht so deutlich, und der Arbeitsmarkt wird nicht so deutlich belebt, wie es das DIW selbst noch vor drei Jahren für eine große Ökosteuerreform ausgerechnet hatte. Hermann-Josef Tenhagen
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