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Coca-Cola mit Kaffernwitzen

Krieg und Sozialismus sind vorbei, Südafrikaner und Portugiesen kommen: Mosambiks Wirtschaftsboom wirkt wie eine Wende in alte Zeiten  ■ Aus Maputo Kordula Doerfler

Den Wiederaufbau hat sich Joaquim Campos D'Oliveira, wenn er ehrlich ist, leichter vorgestellt. Dann rutscht ihm heraus, daß er oft kurz davor war, seiner Firma „Adios“ zu sagen. Das aber erzählt der smarte Portugiese nur abends, ganz privat. Offiziell, beim Besuch in seiner Fabrik in Maputo, verkauft er eine mosambikanische Erfolgsstory: Junger, hochqualifizierter Unternehmer wird von einem großen Konzern aus Portugal in die ehemalige Kolonie geschickt, um eine Fabrik aufzubauen. Heute, zwei Jahre später, beschäftigt D'Oliveira 180 Arbeiter und verfügt über ein Monopol.

Seine Fabrik ist die erste, die in Mosambik Polyethylen zu Plastik verarbeitet. Zuvor, in den Jahrzehnten des Bürgerkriegs, waren Plastiktüten ein Luxusgegenstand. Jetzt sind die Tüten und Folien vom Band überall in der Hauptstadt Maputo zu sehen. Gerade hat D'Oliveira einen Auftrag vom Parlament ergattert: Klarsichthüllen für die geplanten Kommunalwahlen. Für die gibt es zwar immer noch keinen Termin – eigentlich sollten sie Ende 1995 stattfinden – aber der Auftrag ist wenigstens da.

So weit zu kommen erfordert Penetranz und Ausdauer. Die Relikte von portugiesischem Kolonialismus und afrikanischem Sozialismus gehen in Mosambik eine Mischung ein, die einen im bürokratischen Alltag zur Verzweiflung treiben kann. Nur wer das große Einmaleins der Korruption beherrscht, hat überhaupt eine Chance. Darüber spricht man nicht, aber jeder weiß es. Zudem gehört D'Oliveira einer Schicht an, die in Mosambik nicht sonderlich beliebt ist: „Als ich hier ankam, war ich der einzige Weiße weit und breit und noch dazu portugiesischer Herkunft.“

Die einstigen Kolonialherren von „Portugiesisch-Ostafrika“ flohen 1974, nach der Nelkenrevolution im Mutterland, Hals über Kopf, viele ins benachbarte Südafrika. Unter den ausländischen Investoren, die heute nach Mosambik kommen, sind die Portugiesen wieder die größte Gruppe, gefolgt von den Südafrikanern. Fast eine Million Südafrikaner sind portugiesischer Herkunft.

Das Ausharren unter der Apartheid macht sich jetzt bezahlt, denn der Weg von Südafrika zurück nach Mosambik ist nicht weit. Eine Rückgabe der alten Besitztümer allerdings ist nicht vorgesehen – es sei denn, man kann nachweisen, daß man Mosambik nie verlassen hat. Nach der Unabhängigkeit 1975 wurden fast alle Unternehmen und großen Farmen verstaatlicht. Heute müssen sie innerhalb des größten Privatisierungsprogramms Afrikas vom Staat zurückgekauft werden. Rund 650 Firmen sind seit Beginn der 90er Jahre veräußert worden und machen Mosambik zum Vorzeigekind der Weltbank.

Südafrika liefert fast alle Waren und Autos

Stolz präsentiert D'Oliveira sein Fotoalbum. Die gesamte Firmenanlage war völlig zerfallen, von Gestrüpp überwuchert und als Müllhalde zweckentfremdet. Nur mit Hilfe seiner Arbeiter schaffte D'Oliveira es, die Gebäude zu renovieren. Heute ist der Innenhof begrünt, und in den Hallen stampfen die Maschinen. Seinen Arbeitern zahlt er durchschnittlich 30 Dollar im Monat, plus Fahrtkosten. Für die Renovierarbeiten bekamen sie zusätzlich Geld.

Mosambik, dessen Haushalt zu zwei Dritteln von den Industrieländern finanziert wird, gehört immer noch zu den ärmsten und am höchsten verschuldeten Ländern der Welt. In der Hauptstadt Maputo ist dennoch der Aufschwung spürbar. Fassaden werden gestrichen, Häuser werden renoviert. Dominant im Stadtbild ist das leuchtende Rot eines bekannten Getränkeherstellers. Wenn Coca-Cola ein Indikator für Aufschwung ist, dann hat es Mosambik geschafft. Erstmals wird es im Land selbst hergestellt. Neue Restaurants schießen aus dem Boden. Einen halben Monatslohn kostet die Portion „LM Prawns“ (Lourenco-Marques- Garnelen), eine international bekannte Köstlichkeit aus den Gewässern Mosambiks. Frankreich hat ein Kulturzentrum gebaut, auf das jede deutsche Stadt neidisch wäre. Ganz langsam erholt sich die malerische Stadt am Meer vom Krieg.

Zu verdanken ist das vor allem der Nähe zu Südafrika. Aus Südafrika kommen fast alle Waren und fast jedes Auto. Und auch wieder Touristen, die Wochenendausflüge machen. Die Innenstadt von Maputo hat heruntergekommenen portugiesischen Charme.

Außerhalb von Maputo sind die Folgen des grausamen Krieges allgegenwärtig. Die Infrastruktur des Landes ist immer noch zerstört, das Gesundheitssystem zusammengebrochen. Zwar wurde die wichtigste Straße entlang der Küste nach Norden bis in die Stadt Beira repariert, geographisch und politisch aber bleibt das fast 3.000 Kilometer lange Land am Indischen Ozean zweigeteilt in den sich langsam erholenden Süden, in dem die einst sozialistische Regierungspartei Frelimo dominiert, und den zurückgebliebenen Norden, wo die einstige von Apartheid-Südafrika unterstützte Rebellenbewegung Renamo ihre Hochburgen hat. Bis heute gibt es an der Küste keine Brücke über den Sambesi- Fluß, die beide Landesteile wieder verbinden würde, obwohl die Gelder dafür vorhanden sind.

Wer im Norden versucht, eine neue Existenz aufzubauen, braucht eine gehörige Portion Pioniergeist. In einem zweiten „Großen Treck“ ziehen zum Beispiel südafrikanische Farmer in die Nordprovinz Nyassa, um von vorn anzufangen. Die Reise dorthin, mit Sack und Pack über Simbabwe und Malawi, ist beschwerlich und langwierig. Das aber nehmen viele Buren gern in Kauf. Der Mythos vom „Großen Treck“ ist Teil ihrer kulturellen Identität. Damals, 1835, verließen sie die fruchtbare, milde Kapprovinz und zogen in den unbekannten, trockenen Norden des heutigen Südafrika, um der Herrschaft der verhaßten Engländer zu entkommen. Heute, unter der schwarzen Regierung Mandela, fühlt sich das „auserwählte Volk“ erneut diskriminiert und verfolgt. Ganz offiziell schlossen die Regierungen von Mosambik und Südafrika im vergangenen Jahr einen Kooperationsvertrag, der die Ansiedlung von weißen Farmern regelt. Jeder Bure erhält 500 Hektar Land für 50 Jahre unentgeltlich zur Pacht. Im Gegenzug müssen die Farmer einheimische Arbeitskräfte beschäftigen und ausbilden. Verglichen mit Südafrika ist Mosambik ein fruchtbares und regenreiches Land.

Die Telefongebühren sind die höchsten der Welt

Wenn Derek Higgo von den zurückliegenden Monaten spricht, kommt er richtig in Fahrt. Die alte Cashewfabrik in Xai-Xai war zerstört, die Nußbäume weit und breit nicht mehr kultiviert oder abgeholzt. Xai-Xai ist ein verfallenes Provinznest an der Küste, 200 Kilometer nördlich von Maputo. Früher war es ein beliebter Ferienort mit einem endlosen, leuchtendweißen Sandstrand. Das heute noch betriebene Hotel hat Ostblockcharme. Der Strand indessen ist fest in der Hand von Higgos Landsleuten. Sie stellen jede Karikatur in Schatten. Schmerbäuchig, riesengroß, sonnenverbrannt und biertrinkend hocken sie vor ihren Zelten und vertreiben sich die Zeit mit Kaffernwitzen. An den einsamen Küsten von Mosambik gehen sie einem Vergnügen nach, das in Südafrika mittlerweile fast überall verboten ist: mit Geländewagen den Strand entlangrasen.

Higgo ist nicht von dieser Sorte, den burischen Pioniergeist aber hat er auch. Und er brauchte ihn auch. Buchstäblich jeder Nagel und jede Dachlatte mußte anfänglich teuer importiert werden. Jetzt produziert Mosambik wieder einiges selbst, jedoch zu astronomischen Preisen. Die Telefonleitungen in manchen Landesteile wurden repariert, die Gebühren aber sind die höchsten der Welt. Allein drei Wochen brachten der südafrikanische Manager und sein portugiesischer Assistent damit zu, zwei Autos zollfrei ins Land zu bringen. Derek Higgo aber ist auch keiner, der schnell aufgibt. Am Ende, nach einem nervenaufreibenden Papierkrieg mit den Behörden, waren die Autos da. „Wir haben nicht mal bestechen müssen“, lacht Higgo. Darauf ist er stolz. Im Juni, so hofft der blonde Bure, wird die Fabrik nach fünf Jahren Stillstand anfangen zu arbeiten. Dann werden 500 Leute die empfindlichen Cashewnüsse von der Schale befreien und rösten. Cashewnüsse waren einst ein Exportschlager aus Mosambik. Zu Beginn der 80er Jahre wurden jährlich 250.000 Tonnen der teuren Nüsse exportiert, zu Beginn der 90er war es gerade noch ein Zehntel.

Die neuen Eigentümer in Xai- Xai sind die alten. Higgos Konzern, der südafrikanische Gigant Anglo-American, war bis 1986 nomineller Besitzer der Fabrik, wenn auch nicht ihr Betreiber. Dann wurde die Betreiberfirma liquidiert, 1992 wurde die Anlage endgültig geschlossen. Jetzt hat Anglo- American die Fabrik als Alteigentümer zurückbekommen und investiert sechs Millionen Dollar in den Wiederaufbau.

Bis das alte Produktionsniveau von 18.000 Tonnen pro Jahr wieder erreicht sein wird, werden Jahre vergehen. Cashewbäume werden nicht in Plantagen angebaut, sondern von Subsistenzbauern. Die verkaufen die rohen Nüsse an Zwischenhändler, manche kommen auch direkt an die Fabriktore. Dieses Netz muß erst wieder wachsen. Trotz aller Schwierigkeiten glaubt Higgo an seinen Erfolg. Die Bevölkerung sei arbeitswillig und kooperativ, meint er. „Wir aus Südafrika sind es gewöhnt, auf eine Kultur des Widerstands zu treffen. Das ist hier anders.“

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