piwik no script img

Nach dem Freispruch die Abschiebung

■ Die Überlebenden des Brandes sind nur vorläufig geduldet in Deutschland. Lübecker zeigten Mitgefühl und Verantwortung

39 Bewohner des Flüchtlingsheims an der Lübecker Hafenstraße haben den Brand überlebt. Nur einer von ihnen mußte bislang die Bundesrepublik verlassen, weil er nach Angaben der Behörden in Schleswig-Holstein unter sieben verschiedenen Namen lebte und entsprechend oft Sozialhilfe kassiert haben soll. Nach dem Brand hatte Lübecks Bürgermeister Michael Bouteiller den Überlebenden vor laufenden TV-Kameras versprochen, sie nicht mehr in Sammelunterkünften leben zu lassen. Asylbewerber hätten ein Recht auf ein würdiges Leben – und das drücke sich in Deutschland unter anderem in einer eigenen Wohnung aus, meinte der Sozialdemokrat.

Bouteiller hat das Versprechen gehalten. Die Brandgeschädigten leben in Wohnungen und werden dort von diakonischen Helfern betreut. Darüber hinaus hat die Stadt Lübeck zwei weitere Flüchtlingsheime aufgelöst. Nach Angaben von Ivar Rinsche, Leiter der Lübecker Gemeindediakonie, befinden sich nur noch die Hälfte der in der Hansestadt lebenden Asylbewerber in Heimen. Für ihn ist das ein Erfolg, der nicht zuletzt durch eine Stimmung zustande kam, die erst durch die Brandkatastrophe wachgerufen wurde: „In Lübeck haben viele Menschen Mitgefühl und Verantwortung gelernt.“ Doch viele Asylbewerber klagen jetzt, daß sie sich in den Wohnungen vereinsamt fühlen.

Mehr als eine halbe Million Mark sind auf diverse Spendenkonten geflossen oder aus Fonds zur Verfügung gestellt worden, um das Leben von Flüchtlingen nicht allein mittels Sozialhilfe und Aktenvermerken zu verwalten. Übriggebliebene Mittel werden inzwischen für die Arbeit mit bosnischen Kriegsflüchtlingen verwendet.

Koordiniert werden diese Mühen von etlichen runden Tischen, an denen sowohl der Bürgermeister als auch Flüchtlingsinitiativen zusammenkommen – Berührungsängste wie in anderen Städten haben sie nicht. Bürgermeister Bouteiller sagt dazu lapidar, durchaus nicht im Einklang mit der örtlichen Presse wie den Lübecker Nachrichten oder der CDU-Nomenklatura: „Es ist unsere Pflicht, sich mit denen zu beschäftigen, die aus Not zu uns gekommen sind.“

Den Lübecker Multikultifrieden stört nur die aktuelle Gesetzeslage. Allen Bewohnern des abgebrannten Hauses war gerichtlich Asyl verweigert worden. An der Hafenstraße lebten sie nur geduldet. Ihr Aufenthaltsrecht ist während der vergangenen Monate stets verlängert worden, um ihre Zeugenschaft im Verfahren gegen Safwan Eid nicht zu gefährden. Wenn der Prozeß aber wie erwartet Mitte bis Ende Juni beendet sein wird, sind auch ihre Aufenthaltsduldungen hinfällig.

Die Flüchtlinge aus dem früheren Zaire – zu denen auch Jean- Claude Makoudila zählt, der bei dem Brand seine ganze Familie verlor – können darauf hoffen, vorläufig bleiben zu dürfen: Das Außenministerium will erst noch prüfen, ob das Regime des Laurent Kabila frühere Flüchtlinge aufnimmt, ohne sie zu behelligen.

Den Familien Eid und El-Omari droht hingegen die Abschiebung. Ihr Heimatland Libanon gilt als sicheres Land, in dem sie nichts mehr zu befürchten haben, was einen längeren Aufenthalt in der Bundesrepublik rechtfertigen würde, heißt es aus dem Ministerium von Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU). Das sozialdemokratisch geführte Innenministerium in Kiel hingegen vertritt den Wunsch Michael Bouteillers, daß den Brandopfern aus humanitären Gründen ein dauerndes Bleiberecht gewährt werden müsse. Aus dem Lübecker Bürgermeisteramt heißt es wenig hoffnungsvoll, daß Asylrecht strikt Bundesrecht sei: „Wir haben da keinen Spielraum.“ Entscheiden muß Minister Kanther.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen