Klimatische Verstimmungen

■ Umwelt-Erklärung: Marseille verweigert Unterschrift

Die Stunde der Unterschrift ist gekommen. Kamerateams drängeln sich vor den Rednerpulten im Albert-Schäfer-Saal der Handelskammer. Hier sitzen die Umweltdezernenten und Bürgermeister der acht Hamburger Partnerstädte St. Petersburg, Marseille, Shanghai, Dresden, Osaka, León, Prag und Marseille. Den ganzen gestrigen Vormittag haben sie salbungsvolle Reden gehalten, haben den vereinten Umweltgeist beschworen und partnerschaftsstädtisch den Himmel angefleht, er möge ihre guten Umwelt-Vorsätze erhören.

Jetzt gilt es, zum feierlichen Abschluß des „Spesengipfels“(ein Pressephotograph) ein schwammiges Papierchen namens „Hamburger Erklärung der Partnerstädte zur Agenda 21“zu unterzeichnen. Doch Jean-Charles Lardic weigert sich. Der Umweltdezernent aus dem südfranzösischen Marseille gibt den Stift zurück. Schiebt den Zettel, auf dem er unterschreiben soll, daß er sich „zum Leitbild einer nachhaltigen, also umweltgerechten und zukunftsfähigen Entwicklung“bekennt, weiter nach Shanghai. Getuschel. Das sieht das Protokoll nicht vor. Alle unterschreiben brav. Nur Lardic nicht, der sich „dafür nicht legitimiert fühlt“.

Er hat seine Gründe. „In Marseille ist das Klima mild“, schwärmt er, und Hamburgs käsiger Umweltsenator Fritz Vahrenholt (SPD) blickt neidisch zu ihm rüber. „Da brauchen wir kaum Heizungen und müssen folglich auch nicht Energie sparen.“Überhaupt vermittelt Lardic den Eindruck, als sei er eher zufällig in diese Veranstaltung geraten. Jaja, giftige Einleitungen ins Mittelmeer hätten sie wohl auch. Aber, mon Dieu et merde, gibt es nichts Wichtigeres im Leben?

Vahrenholt tobt. So eine Unverschämtheit! So ein seichtes Papier, und nicht mal das will der Franzose unterschreiben. Aber so ist er nun mal, der Gallier. „Gelallt“soll er haben, wirres Zeug, den ganzen Vormittag lang, pflichtet ein Zuhörer Vahrenholt bei. Und wird nicht Marseille auch vom rechtsradikalen Front National regiert? Nein? Na gut. Aber „schlimm“sei diese Haltung trotzdem.

Daß Monsieur Lardic vielleicht bloß wertvolle Tinte sparen wollte, mit der die anderen die nichtssagende Erklärung verzierten, darauf kommt niemand. Heike Haarhoff