piwik no script img

Daimler-Benz abrüsten

Der größte deutsche Konzern ist in der internationalen Rüstungsindustrie ein kleiner Fisch. Kritische Aktionäre fordern Geld für Minenräumung  ■ Von Reiner Metzger

Etwa 8.000 der insgesamt 450.000 Aktionäre von Daimler-Benz hörten sich gestern die Reden auf der Hauptversammlung in Stuttgart an. Nach den Katastrophenzahlen aus dem Geschäftsjahr 1995, als nach der Pleite bei Fokker und der teuren Sanierung von AEG und Dasa 5,7 Milliarden Mark minus in der Bilanz standen, konnte Konzernchef Jürgen Schrempp dieses Jahr bessere Zahlen präsentieren: 2,4 Milliarden Mark Profit 1996 und eine Umsatzsteigerung um zehn Prozent auf 106,3 Milliarden Mark. In den ersten vier Monaten dieses Jahres stieg der Umsatz im Schnitt sogar um 15 Prozent. Damit bleibt Daimler-Benz unangefochten der größte deutsche Industriekonzern.

Das sollte aber „nur eine erste Etappe darstellen auf dem Weg, unsere historische Ertragskraft wiederzugewinnen“, so Schrempp etwas schwülstig in seinem „Brief an die Aktionäre und Freunde des Unternehmens“. Der Chef erkannte indirekt auch Rationalisierungsreserven außerhalb der Werkhallen an: Mit der derzeitigen Organisationsreform des Konzerns will er die Effizienz aller Prozesse „in der Summe um 40 Prozent“ steigern. In den letzten Monaten hatte Daimler seine Führung gestrafft, die eigenständige Mercedes-Benz AG wurde abgeschafft. Der bis dahin erfolgreiche Mercedes-Chef Helmut Werner verließ darauf das Unternehmen.

Auch das Sorgenkind Dasa ist auf dem Weg der Besserung. Unter dem Dach der Deutschen Aerospace sind Luft- und Raumfahrt sowie die diversen Aktivitäten in der Rüstung zusammengefaßt. Außer bei der Raumfahrt liefen die Geschäfte hier prächtig, in den ersten drei Monaten 1997 konnte die Dasa schon Güter für 2,8 Milliarden Mark verkaufen.

In Deutschland ist Daimler damit auch der größte Rüstungs- und Luftfahrtkonzern – im internationalen Maßstab hingegen ein eher kleiner Fisch. Die Flugzeugriesen der ehemaligen Sowjetunion stellen sich zwar langsam auf schrumpfende Rüstungsetats weltweit um, wollen aber als weiterhin verläßliche und verhältnismäßig kostengünstige Anbieter ihre Marktanteile halten.

Für die Branche in den USA sind die goldenen Zeiten ebenfalls vorbei, als die republikanischen Präsidenten die Sowjetunion totrüsten wollten. Die US-Konzerne fusionieren nun mit schnellem Tempo. Von einem guten Dutzend ehemals tonangebender Firmen der US-Luft- und Raumfahrt Ende der 80er sind im Prinzip nur noch vier große übrig: Boeing schluckt derzeit McDonnell Douglas. Die Firmen Lockheed und Martin Marietta fusionierten zu Lockheed Martin, kauften noch diverse Firmen dazu und machen allein im Rüstungsbereich 20 Milliarden Dollar Umsatz – nach ihrer Ansicht sind sie weltweit der Militärkrösus.

Hinter Lockheed und Boeing versucht sich Raytheon zu behaupten. Seit sie unter anderem im Januar Hughes für 9,5 Milliarden Dollar gekauft haben, sind sie die Nummer eins bei Raketen und allerlei Elektronik, die Generälen den Mund wäßrig macht. Den vierten Konkurrenten, Northrop Grumman, halten US-Experten mit sechs Milliarden Dollar Militärumsatz im Jahr schon für zu klein, um allein zu überleben.

Die Dasa versucht, sich gegen die Riesen aus den USA zu wappnen. Das europäische Gemeinschaftsunternehmen Airbus soll ein Unternehmen mit einer schlagkräftigen Führung werden – möglichst unter Führung der Dasa. Vor allem der französische Partner Aérospatiale möchte aber auch noch ein Wörtchen mitreden. Die vielen nationalen Rüstungskonzerne Europas zu einer schlagkräftigen Luftfahrtfirma zusammenzuschließen scheint derzeit noch unmöglich. Nach Aussagen von Schrempp wird sich die Dasa in der Raumfahrt aber zumindest mit der französischen Lagardère-Gruppe verbünden.

Nach Ansicht der Kritischen Aktionäre sollte Daimler das Rüstungsgeschäft lieber ganz aufgeben. Sie stellten auf der gestrigen Hauptversammlung einen Antrag, Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten. Der Lobbyarbeit des Daimler-Vorstands sei es zu verdanken, daß Milliarden für sinnlose Rüstungsprojekte wie den Eurofighter ausgegeben würden. Der Aufsichtsrat habe den Vorstand nicht daran gehindert.

Auch technisch fortgeschrittene Minen werden weiterhin bei Daimler-Töchtern produziert. Das aktuelle Modell heißt Panzerabwehrrichtmine (Parm-1). Eine Parm wird im Gelände verlegt und schießt als eine Art selbsttätige Panzerfaust ankommende Fahrzeuge und Panzer ab. Das Ding kann natürlich nicht zwischen zivilen und militärischen Fahrzeugen unterscheiden. Für 100 Millionen Mark hat die Bundeswehr bei Daimler Parm-1 geordert. Die Kritischen Aktionäre forderten in einem Antrag, aus dem Bilanzgewinn von Daimler-Benz diese 100 Millionen an den Minenräumfonds der Hilfsorganisation Medico International zu überweisen.

Die Anträge der Kritischen Aktionäre wurden mit großer Mehrheit abgelehnt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen