piwik no script img

Bundesbank gegen Waigels Goldtrick

■ Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer ist vehement gegen die Neubewertung der Goldreserven, mit der Finanzminister Waigel seinen Haushalt retten will. Tietmeyer fürchtet um die „Glaubwürdigkeit“ der Mark

Berlin (taz) – Die Deutsche Bundesbank sieht ihren guten Ruf gefährdet. Bis in den Abend berieten gestern die Mitglieder des Bundesbankrats über die von Finanzminister Theo Waigel geplante Neubewertung der Goldreserven. Ein Ergebnis lag bis Redaktionsschluß noch nicht vor. Im Vorfeld wurde gestern jedoch schon bekannt, daß sich Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer schon längst vehement gegen eine Neubewertung ausgesprochen hat. Die Mark als zweitgrößte Reservewährung der Welt basiere „nicht auf den nationalen Ressourcen, sondern allein auf Glaubwürdigkeit“, sagte Tietmeyer den Mitgliedern des Haushaltsausschusses am 18. März. Die Bundesbanker halten die von Finanzminister Theo Waigel angestrebte Höherbewertung der 95 Millionen Feinunzen Gold in den Tresoren der Bundesbank für unseriös. „Wenn eine entsprechende Haushaltspolitik betrieben wird, brauchen Fragen nach der Seriosität bestimmter Maßnahmen erst gar nicht gestellt zu werden“, sagte Ernst Welteke, Präsident der Landeszentralbank Hessen, nach der gestrigen Sitzung.

Waigel will den Wert des Goldes an den Marktpreis angleichen. Der liegt bei rund 344 Dollar (590 Mark) pro Unze. Die Bundesbankunzen werden hingegen zu ihrem Anschaffungspreis mit nur 92 Dollar berechnet. Da die Bundesbank Überschüsse an den Bund abführen muß, würden mit einer Neubewertung der Goldunzen frisch gepreßte Milliarden in Waigels Kassen fließen. In einem unter Verschluß gehaltenen Eckwertepapier hat Waigel sowohl die Höhe der Neubewertung als auch den Zeitpunkt festgeschrieben. Noch vor der Sommerpause soll das Bundesbankgesetz geändert werden – das schafft Waigel mit einfacher Mehrheit. Das Gesetz würde die Bank zu der Neubewertung zwingen, über deren Höhe es unterschiedliche Angaben gibt. Aus Koalitionskreisen verlautete, daß Waigel auf 10 bis 11 Milliarden Mark hofft. Experten sehen gar 20 Milliarden 1997 und 1998 in die leeren Schatullen Waigels fließen. Das Geld will der Herr der Löcher in den Erblastentilgungsfonds stecken. Darin sind alle Schulden aus der Wiedervereinigung zusammengefaßt. Und für die muß Waigel jährlich Zinsen zahlen. Verringert er die Schulden in dem Fonds, kann er in derselben Höhe Kredite aufnehmen. Mit diesem Trick würde der Finanzminister die Nettokreditaufnahme des Bundes um ebenjene Summe niedriger halten und sich nicht noch weiter von den Maastricht-Kriterien für die Europäische Währungsunion entfernen.

Bislang waren die Goldreserven unantastbar. Mit Bundeskanzler Helmut Kohl und Hans Tietmeyer wehrte sich Theo Waigel 1996 gar gegen den Internationalen Währungsfonds (IWF). Der IWF wollte mit Zustimmung der USA, Großbritanniens und Frankreichs seinen eigenen Goldschatz umbewerten und damit Entwicklungsländer entschulden. Ulrike Fokken

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen