Betriebsrätin gefeuert – weil sie sich engagierte

■ Brandenburgisches Maschinenbauwerk spricht rechtswidrige Kündigung aus – weil die Betroffene nicht für 80 Prozent der Tarifvertragslöhne arbeiten wollte

Berlin (taz) – Knapp drei Jahre hat sich Barbara Schulze gegen einen Arbeitsvertrag mit untertariflicher Bezahlung gewehrt. Jetzt wurde der Konstrukteurin und stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden gekündigt. Von ihrer Firma, der Havelländischen Maschinenbau GmbH (HMB) im brandenburgischen Glindow, erhielt die 48jährige eine außerordentliche Kündigung. Die IG Metall in Potsdam protestiert: Die Entlassung entbehre jeglicher juristischer Grundlage.

Barbara Schulze habe weder Löffel geklaut noch ihren Chef beleidigt, weist Eberhard Lukas, Betriebsratsvorsitzender der HMB, erdenkliche Gründe für eine außerordentliche Kündigung zurück. Denn nur auf diesem Weg kann ein Betriebsratsmitglied überhaupt gefeuert werden.

Lukas stellt die Entlassung, die zeitgleich mit fünf weiteren Kündigungen stattfand, vielmehr in Zusammenhang mit Barbara Schulzes konsequenter Ablehnung der untertariflichen Bezahlung sowie ihrem gewerkschaftlichen Engagement: „Sie hat sich seit ihrer Wahl vor sieben Jahren stets mit viel Energie für jeden einzelnen Mitarbeiter eingesetzt.“

Mitte April wurde die Betriebsrätin von der Arbeit freigestellt. Rechtsmäßig stünde ihr eine siebenmonatige Kündigungsfrist zu, weil sie schon seit drei Jahrzehnten in der Firma gearbeitet hatte. Barbara Schulze versucht, sich weiterhin für die 60 Mitarbeiter der HMB einzusetzen. Sie nimmt an Sitzungen des Betriebsrats teil und erledigt die Büroarbeit.

Herbert Mönch, Gewerkschaftssekretär der brandenburgischen IG Metall in Potsdam, glaubt, daß die HMB-Geschäftsführung mit ihren Maßnahmen gegen Schulze die gewerkschaftliche Arbeit schwächen will: „Zwangsweise losgelöst von den Kollegen und den täglichen Problemen – wie soll man da gescheite Betriebsratarbeit machen?“

Das Maschinenbauwerk ist ein Betrieb des ehemaligen Arbeitgeberpräsidenten Tyll Necker. Ende 1992 trat die HMB aus dem Arbeitgeberverband aus. Seitdem ist sie nicht mehr an das tariflich festgelegte Lohnniveau gebunden und bietet ihren Mitarbeitern Arbeitsverträge, in denen sie sich mit etwa 80 Prozent des Tariflohns einverstanden erklären. „Eine weitverbreitete Praxis in ostdeutschen Betrieben“, erläutert Eberhard Lukas.

Das Kündigungsschutzverfahren Schulze liegt dem Potsdamer Arbeitsgericht mittlerweile zur Verhandlung vor. Die Gewerkschaft ist zuversichtlich, das Verfahren zu gewinnen und damit Barbara Schulze ihren Job zu sichern. Betriebsrat Lukas: „Wenn wir nicht gewinnen sollten, hab ich ein falsches Rechtsempfinden.“ Annette Kanis