: Bundesbankpräsident um Waigels Stabilität besorgt
■ Welche Rechentricks der Finanzminister auch anwendet: Euro-relevant wären die Gewinne aus der Neubewertung der Goldreserven im Jahr 1997 ohnehin nicht
Verschieben will er die Währungsunion nicht, ließ Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer gestern übermitteln. „Die Deutsche Bundesbank steht selbstverständlich zum Maastricht-Vertrag. Sie arbeitet schon seit langem intensiv mit an der Vorbereitung der Währungsunion mit einem stabilen Euro.“ Das eine schließt das andere jedoch nicht aus – die Äußerungen bleiben so ungenau wie je zuvor. Denn selbst wenn Tietmeyer nicht für eine Verschiebung des Euro wäre, bereitet er doch nur einen „stabilen Euro“ vor.
Stabil wird die Währung nach Meinung von Analysten, Bankern und Wirtschaftswissenschaftlern, wenn die teilnehmenden Länder eine solide Haushaltspolitik betreiben. Die Maastricht-Kriterien über Defizit, Neuverschuldung und Inflation sollten dagegen – wie es auch der Vertrag von Maastricht vorsieht – „hinreichend erfüllt“ sein. Denn niemand kann heutzutage sagen, wie sich die europäische Währung nach ihrer Einführung auf den Märkten verhalten wird. Ob der Euro mit oder ohne Maastricht-Kriterien stabil wird oder nicht, ist auch nach dem Wochenende so unklar wie seine Einführung zum 1. Januar 1999.
Als unsolide haben Mitglieder des Zentralbankrats schon in der vergangenen Woche die Haushaltspolitik von Finanzminister Theo Waigel bezeichnet. Sie lehnten daher eine Neubewertung der Goldreserven strikt ab. Waigel will angesichts seiner Haushaltslöcher die 95 Millionen Feinunzen Gold in den Tresoren der Bundesbank neu bewerten. Jährlich fließen sie zu ihrem Anschaffungspreis von 92 Dollar in die Bilanz ein. Daran verdient der Bund nichts. Am Markt werden die Feinunzen nämlich mit rund 344 Dollar gahandelt. Waigel will das Gold bei 60 Prozent des derzeitigen Kurses berechnen. So entseht der Bundesbank rechnerisch ein Überschuß von rund 42 Milliarden Mark. Da die Bank verpflichtet ist, Überschüsse an den Bund abzuführen, könnten schon ab diesem Jahr mindestens 20 Milliarden Mark in Waigels Kassen fließen. Da er das Geld im Erblastentilgungsfonds verbuchen will, kann Waigel die Schulden des Bundes drücken. Mehr noch: Waigel hofft sogar, über die gedrückten Schulden im Fonds neue Kredite für aktuell anstehende Löcher wie zum Beispiel in der Arbeitslosenversicherung aufzunehmen. Schon am Donnerstag berät der Bundestag über eine Änderung des Bundesbankgesetzes. Der Bundesrat muß nicht zustimmen.
Die harschen Worte aus dem Zentralbankrat gegenüber der Bundesregierung hat Tietmeyer gestern gedämpft. Die Einwände „betreffen vor allem eine etwa bereits für 1997 vorgesehene zusätzliche Ausschüttung“. Er hoffe, daß die Regierung diesen Einwänden „ausreichend Rechnung tragen werde“. Der Bundesbankpräsident zeigt damit einen Kompromiß auf, der Bundesregierung und Bundesbank ihr Gesicht als unabhängige Institutionen wahren ließe. Die Goldbestände könnten erst mit dem Geschäftjahr 1998 höher bewertet werden. Für einen solchen Kompromiß haben sich am Wochenende auch schon Abweichler aus der Koalition ausgesprochen. Euro-relevant wären die Goldgewinne im maßgeblichen Jahr 1997 ohnehin nicht: Der Maastricht-Vertrag schließt derartige Buchungstricks aus. Ulrike Fokken
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen