: Erfolgreicher Diktator
■ In Indonesien war die Angst wahlentscheidend
Indonesiens „lächelnder Präsident“ Suharto hat wieder Anlaß zur Freude: Seine Golkar-Bewegung gewann bei den Parlamentswahlen höher als erwartet. Nach bisherigen Hochrechnungen werden es anstelle der angepeilten 70 rund 73 Prozent sein. Gewiß verdankt er dieses Ergebnis nicht ausschließlich dem ungerechten Wahlsystem, das die beiden kleineren Parteien stark diskriminiert, oder Manipulationen bei der Auszählung. Möglicherweise haben viele IndonesierInnen, die sich über die Regierung ärgern, dennoch wieder die Suharto-treue Golkar gewählt. Ihre einzige ernsthafte Alternative wäre die kleine „Vereinigte Entwicklungspartei“ PPP gewesen. Doch die ist stark islamisch orientiert – auch im mehrheitlich muslimischen Indonesien ist das nicht jedermanns Sache. Außerdem wurden sie abgeschreckt durch gewaltsame Aktionen von PPP-Anhängern.
Die Furcht vor einer Explosion der Gewalt sitzt tief in Indonesien. Vor allem die ältere Generation erinnert sich noch zu gut an den letzten Machtwechsel in ihrem Land. 1965 gab es ein grauenhaftes Blutbad: 500.000 Menschen starben. Eine vom Militär angeführte Jagd auf „Kommunisten“ verwandelte sich vielerorts in Massaker an ethnischen und religiösen Minderheiten. Bis heute gibt es in Indonesien keine öffentliche Auseinandersetzung mit dieser Vergangenheit. Statt dessen herrscht große Angst vor der eigenen Unberechenbarkeit: „Wir Indonesier sind besonders gefährdet“, heißt es immer wieder. „Die Gewalt bricht plötzlich aus. Das liegt eben in unserer Kultur.“ Auf dieses Gefühl und auf die Unterdrückung von Oppositionellen hat Suharto seine Macht seit 30 Jahren gebaut. Wer sich gegen die Regierung stellt, bedroht den inneren Frieden. Das hat der Präsident der Bevölkerung immer wieder eingehämmert. Es ist ein Tabu, darüber laut nachzudenken, wer Suhartos Nachfolger oder Nachfolgerin wird – und wie er bestimmt werden soll. So hat Suharto verhindert, daß eine politische Kultur entsteht, in der ein friedlicher Machtwechsel vorstellbar scheint. John Majors umstandsloser Abgang – in den Augen vieler IndonesierInnen ein absolut exotischer und geradezu unnatürlicher Vorgang. Deswegen ist der hohe Golkar-Sieg so riskant. Suharto sieht seine Herrschaft nicht erschüttert. Er sieht Stabilität, wo Angst herrscht. Jutta Lietsch
Bericht Seite 12
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen