: Kanther kanzelt S-Bahn-Wachen
■ Vier von acht Bahnwachen werden geschlossen. GdP: Kein Schutz mehr vor Hertha-Fans und Skins
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erhebt harte Vorwürfe gegen Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU), weil der vier von acht Bahnpolizeiwachen schließen lassen und Personal abbauen will. Kanthers Pläne seien ein „polizeiliches Desaster, chaotisch und falsch“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der GdP beim Bundgesgrenzschutz, Sven Hüber.
Die Bahnpolizei ist dem Bundesgrenzschutz (BGS) untergeordnet. Sie soll im Zuge der vor zwei Jahren vom Hause Kanther begonnen BGS-Reform grundlegend umgestaltet werden. Mit der Reform sollen die einzelnen Grenzschutzsparten wie Bahn-, Grenzpolizei und Verbände teilweise zusammengeführt und besser koordiniert werden. Innenminister Kanther will damit einen flexibleren und rationelleren Einsatz seiner Bundespolizei erreichen.
Das Ergebnis für die Berliner Bahnpolizei ist, daß die Wachen zusammengefaßt und auf die Hälfte reduziert werden. Während die Stellen Schönefeld, Spandau, Friedrichstraße und Papestraße verschwinden sollen, werden die Wachen am Zoo und am Hauptbahnhof zu Inspektionen ausgebaut. Lichtenberg und Grunewald werden Außenstellen der Inspektionen. Parallel dazu sollen 32 von 442 Bundesgrenzschützern ihren Hut nehmen.
Polizeigewerkschaftsvize Hüber kritisiert Kanthers „Rückzug aus der Fläche“ und die damit verbundene Zentralisierung. Er fordert ein dichtes Netz von Ansprechstellen für Bürger. Ansonsten würde die Kriminalitätsprävention in den S-Bahnen nicht mehr gewährleistet.
Die Bahnpolizei war in der Vergangenheit wiederholt in die Kritik gekommen. Bei rassistischen Überfällen war sie mehrfach nicht rechtzeitig vor Ort gewesen. Vor allem in den S-Bahn-Linien, die in die Randbezirke führen, sind Überfälle auf Nichtdeutsche und Schwarze an der Tagesordnung. So beispielsweise 1994, als ein Ghanaer von Skinheads mit Messern schwer verletzt und aus der S-Bahn geworfen worden war.
Hüber gibt zusätzlich zu bedenken: „Einen derartigen Schritt kann man nicht machen, wenn man heute schon weiß, daß Hertha aufsteigt.“ Dann müsse man sich für Fanbegleitung oder Streife fahren entscheiden, beides zusammen ginge nicht. „Offensichtlich haben Politiker, die nur noch mit Bodyguards durchs Land chauffiert werden, keine Ahnung mehr vom ,Vergnügen‘ nächtlichen S-Bahn- Fahrens“, schimpfte er.
Ebenfalls Leidtragender der Reform wird die Landespolizei sein. Im Rahmen der Aufgabenteilung mit dem BGS und der Bahnpolizei wird sie in Zukunft mehr Aufgaben zu übernehmen haben. Sowohl das Bundesinnenministerium als auch Grenzschutz und Berliner Polizei verweigerten Stellungnahmen zu den Vorwürfen. Tobias Singelnstein
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