Hongkong hört nicht auf den neuen Chef

■ Der prochinesische Tung Che-hwa fordert die Bevölkerung auf, sich nicht an dem Gedenken an das Tiananmen-Massaker zu beteiligen. Doch Zehntausende kamen

Hongkong (taz) – Mehrere zehntausend Menschen haben in Hongkong am Mittwoch abend des Pekinger Tiananmen-Massakers vor acht Jahren gedacht. Mit Kerzen und kämpferisch-pathetischen Liedern forderten die DemonstrantInnen 27 Tage vor der Übernahme Hongkongs durch die Volksrepublik demokratische Reformen in China. Sie forderten die Führung in Peking auf, die offiziell als „Konterrevolution“ bezeichnete chinesische Demokratiebewegung von 1989 anzuerkennen.

„Wir werden nie vergessen, was am 4. Juni passierte“, sagte Young Sam von der „Allianz zur Unterstützung der patriotisch-demokratischen Bewegung in China“, die jährlich die Kundgebung veranstaltet. „Die ganze Welt kann hier sehen, daß die Menschen in Hongkong sehr an Demokratie und der Einhaltung der Menschenrechte interessiert sind.“ Die Veranstalter gaben die Zahl der TeilnehmerInnen mit 50.000 an.

Begleitet von Trauermusik und umringt von zweihundert Kameraleuten und Fotografen legte der Vorsitzende der Allianz, Szeto Wah, einen Kranz zum Gedenken an die Opfer des Massakers nieder. Mit einer Fackel entzündete er die Flamme der Demokratie. Eingeweiht wurde auch die acht Meter hohe Statue eines dänischen Künstlers, die in den vergangenen Wochen für Streit gesorgt hatte. Sie erinnert drastisch an das Massaker. Auf ihrem Sockel heißt es: „Die Alten können die Jungen nicht ewig töten.“

Bei der gewaltsamen Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung waren 1989 in Peking mehrere hundert Menschen getötet worden. Auf der Kundgebung in Hongkongs Victoria Park forderten Redner ein Ende der Einparteienherrschaft in China und eine Bestrafung der für das Massaker verantwortlichen Politiker. Hongkongs künftiger prochinesischer Regierungschef Tung Che-hwa hatte zuvor versprochen, daß es in Hongkong unter chinesischer Hoheit keine vergleichbare Repression geben werde. „Ich werde den Demonstranten nicht den Gefallen tun und sie zu Märtyrern machen“, sagte Tung in einem BBC-Interview. Er hatte die Bevölkerung jedoch zugleich aufgefordert, nicht mehr an den Mahnwachen teilzunehmen und den 4. Juni zu vergessen.

Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums sagte, es sei Sache der Hongkonger Regierung, ob die jährliche Veranstaltung in Zukunft weiter erlaubt sein werde. In der chinesischen Hauptstadt Peking wurden die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Platz des Himmlischen Friedens und dem Gelände der Universität, einem Zentrum der Demokratiebewegung, verstärkt. Die Familien der Opfer gedachten in aller Stille ihrer Angehörigen in privaten Trauerfeiern oder auf dem Friedhof. Sven Hansen