■ Morgen stimmen die Schweizer über ein Verbot für Rüstungsexporte ab. Die Regierung lehnt den Vorstoß ab. Auch die erregten Debatten um die Rolle der Schweiz im 2. Weltkrieg mindern die Chancen der Initiative. Aus Genf Andreas Zumach
: Die K

Die Krämerseele wird obsiegen

Vor 25 Jahren ging es knapp aus: Nur eine hauchdünne Mehrheit von 50,3 Prozent der SchweizerInnen sagten nein zum totalen Verbot von Rüstungsexporten. Morgen stimmen sie erneut über ein „Verbot der Kriegsmaterialausfuhr“ ab: Exporte von Rüstungsgütern, ihre Vermittlung und Finanzierung durch eidgenössische Unternehmen oder Banken sowie der Transport über Schweizer Gebiet sollen vollständig verboten werden. Der entscheidende Unterschied zur Volksabstimmung 1972: Untersagt werden soll zudem die Ausfuhr von „dual use“-Gütern, die militärisch oder zivil verwendet werden können, sofern sie für kriegstechnische Zwecke im Empfängerland bestimmt sind. Es geht um Produkte wie Hochfrequenzkabel, Werkzeugmaschinen oder Chemikalien.

Initiiert wurde das Referendum 1991 unter dem Eindruck des zweiten Golfkrieges von den Sozialdemokraten (SPS), der größten Partei der Schweiz mit der stärksten Fraktion im Parlament (Nationalrat), und zwei Ministern in der siebenköpfigen Regierung (Bundesrat). 1991 erfuhr eine breite Öffentlichkeit, daß eidgenössische Firmen wie die EMS-Patvag des rechtsbürgerlichen Nationalratsabgeordneten Christoph Blocher bereits während des ersten Golfkrieges in den 80er Jahren gute Geschäfte mit Rüstungsexporten in den Irak und den Iran machten. Der „Krieg vor der Haustür“ in Ex-Jugoslawien und die Lieferungen eidgenössischer Waffenfirmen an alle dortigen Konfliktparteien verstärkten die Unterstützung für die Initiative. 1992 hatte die SPS die erforderlichen 100.000 Unterschriften für den Vorstoß gesammelt. Doch der Bundesrat verzögerte den Termin für die Volksabstimmung, legte dem Parlament zunächst eine verschärfte Neufassung des geltenden „Kriegsmaterialgesetzes“ vor und 1996 dann ein neues Güterkontrollgesetz. Die Entwürfe enthielten eine Bewilligungspflicht für Vermittlungsgeschäfte und Technologietransfers sowie eine Ausfuhrkontrolle für „dual use“-Güter. Rüstungsexporte sollten nur genehmigt werden, wenn sie „Frieden und Stabilität“ im Empfängerland nicht beeinträchtigten.

Die SPS erwog, ihre Initiative für eine Volksabstimmung zurückzuziehen, wenn der Nationalrat diese Gesetzesvorlagen unverändert beschlossen hätte. Doch die bürgerlichen Mehrheitsparteien verwässerten sie bis zur Unkenntlichkeit. Nach Ansicht des Historikers und Rüstungskontrollexperten Peter Hug ist das „Kriegsmaterialgesetz“ in seiner jetzt beschlossenen Fassung „noch schlechter als das alte“ (siehe Interview).

Außer von den Sozialdemokraten wird die Initiative für das Verbot der Kriegsmaterialausfuhr von den Grünen, der Partei der Arbeit sowie von zahlreichen entwicklungs-, friedens- und umweltpolitischen Organisationen, von kirchlichen Gruppen und Frauenverbänden unterstützt. Die Regierung, die bürgerlichen Parteien und die Wirtschafts- und Industrieverbände haben geschlossen zur Ablehnung der Initiative aufgerufen. Ihr zentrales Argument ist die Behauptung, eine Annahme würde die Schweizer Exportwirtschaft schwer schädigen. Die reinen Rüstungsexporte machen zwar mit umgerechnet rund 266 Millionen Mark lediglich 0,3 Prozent der gesamten Warenausfuhr der Schweiz aus. Nur 2.000 Eidgenossen arbeiten in diesem Industriezweig. Doch, so rechnet der Arbeitgeberverband vor, die Ausfuhrbeschränkungen für „dual use“-Produkte würden bis zu 120.000 Arbeitsplätze gefährden. In wirtschaftlich unsicheren Zeiten verfängt diese Angstpropaganda. Entsprechend gespalten sind der Gewerkschaftsbund und seine Mitgliedsgewerkschaften in ihrer Haltung zur Initiative.