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Richter segnen Garzweiler ab

■ Die Klagen von sechs Kommunen gegen das umstrittene Braunkohletagebau-Projekt scheitern vor dem Landesverfassungsgericht Münster. Nordrhein-Westfalens rot-grüne Koalition steht vor der nächsten Zerreißprobe

Münster (taz) – Für die Garzweiler II- Gegner wird die juristische Luft zunehmend dünn. Gestern schmetterte das Landesverfassungsgericht in Münster auch die Klagen von sechs Kommunen gegen das Projekt ab. Schon im April hatte dasselbe Gericht die Beschwerde der bündnisgrünen Landtagsfraktion abgewiesen. Der früheren SPD-Alleinregierung stellte das Oberste Landesgericht mit seiner gestrigen Entscheidung quasi einen juristischen Persilschein aus. Nach Auffassung des Gerichts sind die bisherigen Genehmigungsschritte allesamt im Einklang mit der Landesverfassung erfolgt. Auch die Selbstverwaltungsrechte der Kommunen seien, so der Vorsitzende Richter Michael Bertrams, „nicht verletzt“ worden.

Während die klagenden Gemeinden der Landesregierung vorgeworfen hatten, den Braunkohleplan ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage aufgestellt zu haben, sahen die Verfassungsrichter im geltenden Landesplanungsgesetz eine ausreichende „Ermächtigungsgrundlage“. Der Sicherstellung einer verläßlichen Energieversorgung komme wegen des überörtlichen Interesses ein „höheres Gewicht zu“ als der gemeindlichen Planungshoheit. Bei der Entscheidung für den Braunkohletagebau sei die damalige SPD-Alleinregierung im übrigen von energiewirtschaftlichen Annahmen und Prognosen ausgegangen, „die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, nicht eindeutig widerlegbar und auch nicht offensichtlich fehlerhaft“ seien, sagte Bertrams.

Der Landesvorstand der Bündnisgrünen bezeichnete das Urteil gestern als „nicht überraschend“. Die juristische Auseinandersetzung werde auf jeden Fall weitergehen. Dabei richten die Garzweiler- Gegner nun ihr Augenmerk auf die Verwaltungsgerichte in Düsseldorf und Aachen. Während das Landesverfassungsgericht nur über die Verfassungsmäßigkeit des Projekts entschieden habe, stünden dort, so die Grünen, die Inhalte des Braunkohleplans zur Überprüfung an.

Sichtlich zufrieden gab sich gestern der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Klaus Matthiesen. Im Ton moderat forderte der SPD-Hardliner, daß „jetzt auch die politische Auseinandersetzung um den Braunkohltagebau Garzweiler II ihr Ende finden“ müsse. Wie vom Landtag mit den Stimmen von SPD und Bündnisgrünen am 16. Mai 1997 beschlossen, müßten die ausstehenden Genehmigungsverfahren nun „zügig und sorgfältig und ohne politische Einflußnahme nach Recht und Gesetz durchgeführt werden“. Wenn die Bündnisgrünen den Münsteraner Urteilsspruch in diesem Sinne respektierten, würden sie, so Matthiesen, „dem Land NRW und der Koalition einen guten und notwendigen Dienst erweisen“.

Tatsächlich steht vor allem den Bündnisgrünen – und damit der rot-grünen Koalition – in nächster Zeit eine Zerreißprobe bevor. Dabei geht es um die nun anstehende Genehmigung des Rahmenbetriebsplans. Weil die RWE-Tochter Rheinbraun nach dem Scheitern der Klagen einen gesetzlichen Anspruch auf Zulassung hat, können die Bündnisgrünen ihr Nein zu diesem Plan kaum aufrechterhalten. Inzwischen signalisieren weite Teile der grünen Parteiführung hinter vorgehaltener Hand ihre Bereitschaft, diese Hürde zu nehmen; ob die Parteibasis ihren Häuptlingen dabei folgt, steht dahin.

Walter Jakobs Tagesthema Seite 3

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