piwik no script img

Ganz Freiburg anti Christ

In Freiburg geht zur Zeit das Abendland unter. Diesen Eindruck zumindest vermitteln die Reaktionen auf den Rauswurf des Feuilleton-Chefs der Badischen Zeitung, Gerhard Jörder (taz vom 7. 6.). „Barbarische Entscheidung“, donnern Intendanten, „Beschädigung der Demokratie“, rufen Professoren und wissen sich ausnahmsweise mal einig mit dem AStA. Bei der Badischen Zeitung selbst hagelt es Abo-Kündigungen. Adresse: Chefredaktion, zu Händen Herrn Peter Christ.

Der wechselte erst vor knapp zwei Jahren vom Manager Magazin zum Freiburger Monopolblatt. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei der Zeit, wo er als professioneller und umgänglicher Journalist geschätzt wurde. Auch an der Dreisam hielten ihn viele für einen würdigen Nachfolger des Feuilleton-Fans Ansgar Fürst. Einer, der die zwar renommierte, aber in vielen Teilen verschlafene Zeitung aus dem Dornröschenschlaf erwecken würde.

Es blieb ihm versagt. Ausgerechnet in Christs Amtsperiode verschärften die Besitzer der Zeitung, die Verlegerfamilie Hodeige und das Druckhaus Poppen & Ortmann, den Sparkurs, um den Schaden durch Anzeigenverluste und bröckelnde Auflage (ca. 173.000 Exemplare) zu begrenzen. Diesem Drang zu effizienterem Redaktions-Management fiel nun wohl auch der bundesweit anerkannte Theaterkritiker Gerhard Jörder zum Opfer. Zuvor war bereits dem Redakteur Bernward Janzing fristlos gekündigt worden, weil er dem Verlag mit einem Zeit-Artikel über die umstrittene Umgehungstraßee B31 geschadet habe. Janzing hatte behauptet, die Monopolpresse vor Ort schweige das Thema tot.

Zu beiden Vorgängen nahm die Chefredaktion und die Geschäftsführung der Badischen Zeitung vorigen Samstag Stellung. In einer Mitteilung hieß es, daß es zwischen Jörder und Christ „keine Möglichkeit für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mehr gebe. Mit einer Absage an kritischen, profilierten Journalismus habe die Entlassung aber nichts zu tun. Anfang der Woche tagte die Gesellschafterversammlung, und in den sechs Stunden wurde wohl nicht nur über Jörder, sondern auch über weitere Einschnitte gesprochen. So sollen in Zukunft 20 der 120 Redakteure eingespart werden.

In den nächsten Tagen will sich Peter Christ mit Jörder treffen und schließt nicht aus, daß der Ex-Kulturchef in einer anderen Funktion für die Badische weiterarbeitet. Oliver Gehrs

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen