: Dicke Luft auf der Hardthöhe
Fortsetzung im Streit um Finanzlöcher im Bonner Haushalt. Kritik an Wehretat, Renten- und Steuerreform – meist aus Koalitionskreisen ■ Von Constanze von Bullion
Berlin (taz) – Zwischen den Bonner Koalitionsparteien gibt es erneut heftigen Ärger. Im Mittelpunkt der Spardebatte stand am Wochenende die Finanzierung des Eurofighters. Das Jagdflugzeug, erklärte CSU-Landesgruppenchef Michael Glos in der Bild am Sonntag, sei ein „Schlüsselprojekt für die technologische Kompetenz der deutschen und europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie“. Damit es doch noch gebaut werden könne, müsse Volker Rühe Kürzungen in seinem Etat vornehmen. Der Verteidigungsminister solle „bei seinem Versuch, dem Finanzminister Geld abzupressen, nicht überziehen“. Die Hardthöhe wies die Vorwürfe aus Bayern als „unhaltbar“ zurück.
Hintergrund des Streits: Der Verteidigungsminister hatte angekündigt, den Eurofighter nur dann anschaffen zu wollen, wenn sein Etat die gleiche Höhe behalte. Für den Verteidigunghaushalt sei neben 47 Millarden Mark für 1998 ein zusätzlicher Beitrag zur Finanzierung der Überschallmaschine zugesagt worden, betonte jetzt ein Sprecher der Hardthöhe. CSU- Landesgruppenchef Glos sei an den entsprechenden Vereinbarungen 1996 beteiligt gewesen.
Die Debatte der Koalitionspartner nannte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU, Paul Breuer, „verantwortungslos“. Weitere Kürzungen beim Wehretat könnten den Bosnieneinsatz der Bundeswehr gefährden, was „irreparable bündnispolitische Konsequenzen“ nach sich zöge. Der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin bezeichnete es als „völlig indiskutabel“, an der bisherigen Bundeswehrstärke von 340.000 Mann festzuhalten. Würde man 10.000 Wehrpflichtige weniger einberufen, könnten 300 Millionen Mark gespart werden.
Das Verteidigungministerium beeilte sich, auch einen zweiten Vorwurf zurückzuweisen. Eine Milliarde Mark schulde die Hardthöhe der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), hatte das Nachrichtenmagazin Focus gemeldet. Dabei handle es sich um Rentenversicherungsbeiträge für ausgeschiedene Zeitsoldaten. Das Rühe-Ministerium wolle die fälligen Zahlungen um 305 Millionen kürzen, was der Bundesrechnungshof kritisiere. Die Meldung sei falsch, versicherte ein Sprecher des Verteidigungministeriums gestern, in den vergangenen Jahren seien sogar mehr Rentenbeiträge überwiesen worden als vorgesehen.
Rudolf Scharping: Die Reformen sind Betrug
Der BfA-Vorsitzende Lutz Freitag erklärte indes dem Spiegel, die Rentenreformpläne der Bundesregierung seien verfassungswidrig. Das Grundgesetz verpflichte den Sozialstaat, seine Bürger gegen die elementaren Lebensrisiken abzusichern. Dazu gehöre auch der Schutz vor Armut wegen Erwerbsunfähigkeit. Würde hier bei den Renten gespart, sinke das Einkommen für rund 100.000 Menschen unter Sozialhilfeniveau.
Kritik an der geplanten Rentenreform kam auch vom Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Olaf Henkel. Dem Kölner Express sagte er: „Das ständige Drehen an den beiden Schrauben Beitrag und Leistungen als Reform zu verkaufen, ist Etikettenschwindel.“ Auch das geänderte Steuerkonzept der Bundesregierung ließ der BDI-Chef nicht ungeschoren. Schon in der ursprünglich geplanten Form bringe die Reform der Industrie keine Steuervorteile: „Trotzdem haben wir das Modell wegen seiner Signalwirkung unterstützt.“ Wenn nun, wie angekündigt, Steuervergünstigungen bei der Wirtschaft gestrichen werden, so Henkel, „kann die Untersützung wackeln“.
Vor weiteren Kürzungen im Sozialhaushalt warnte auch der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Rainer Eppelmann. Von „Betrug“ bei der Steuerreform sprach SPD- Fraktionschef Rudolf Scharping. Das geänderte Finanzierungsmodell der Koalition werde „gigantische Steuerlöcher“ reißen.
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