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Kroatiens neuer Präsident ist der alte

Amtsinhaber Franjo Tudjman erreicht bei den Wahlen bereits im ersten Durchgang die absolute Mehrheit. Geringe Wahlbeteiligung kostet vor allem die Opposition Stimmen  ■ Aus Split Erich Rathfelder

Franjo Tudjman bleibt Präsident von Kroatien. Der seit 1990 amtierende Politiker konnte die Präsidentschaftswahlen vom Sonntag deutlich vor seinen beiden Konkurrenten, Vlado Gotovac und Zdravko Tomac, für sich entscheiden. Nach Auszählung von 7.048 der 7.558 Wahlbezirke kam der bisherige Präsident auf einen Stimmenanteil von 61,2 Prozent der vier Millionen wahlberechtigten Bürger. An zweiter Stelle liegt mit 21,12 Prozent der Sozialdemokrat Zdarvko Tomac. Der Kandidat des Parteienbündnisses aus acht Parteien unter der Führung der Sozialliberalen Partei, Vlado Gotovac, kam dagegen nur auf enttäuschende 17,7 Prozent. Damit ist Tudjman im ersten Wahlgang für seine dritte Amtsperiode gewählt.

Mit rund 55 Prozent lag die Wahlbeteiligung im Vergleich zu den letzten Präsidentschaftswahlen 1992 um 20 Prozent niedriger, viele Anhänger der Opposition gingen offenbar nicht zur Wahl. Aber auch Tudjman mußte Federn lassen: In absoluten Stimmen gerechnet hat er gegenüber den Präsidentschaftswahlen von vor fünf Jahren an Stimmen verloren: Damals erhielt Tudjman bei 3,6 Millionen Wahlberechtigten knapp 1,5 Millionen Stimmen. Bei den Wahlen am Sonntag blieb er mit rund 1,3 Millionen Stimmen aus vier Millionen Wahlberechtigten unter dem Ergebnis von 1992. Dieser Umstand erstaunt um so mehr, als 1997 erstmals rund 330.000 bosnische Kroaten wahlberechtigt waren, die in ihrer übergroßen Mehrheit als Anhänger Franjo Tudjmans gelten.

Schon bei der Veröffentlichgung der ersten Ergebnisse in der Nacht zu gestern konnten Tudjmans Anhänger den Sieg feiern. Dagegen mußte Vlado Gotovac seine Niederlage eingestehen. Das ihn unterstützende Parteienbündnis hatte trotz ernüchternder Umfrageergebnisse bis zuletzt auf einen höheren Stimmenanteil und damit auf einen zweiten Wahlgang gehofft. Dagegen zeigte sich die Führung der Sozialdemokraten zufrieden mit dem Ergebnis von Zdravko Tomac, der in den großen Städten über 30 Prozent der Stimmen gewonnen haben will.

Beide Oppositionsführer bedauerten, daß es nicht gelungen sei, das Potential der Opposition voll auszuschöpfen. Noch bei den Gemeindewahlen im April dieses Jahres war sie zusammengenommen auf rund 60 Prozent der Stimmen gekommen.

Internationale Beobachter waren erstaunt darüber, daß die Wahlkommission zunächst darauf verzichtete, Angaben über die Wahlbeteiligung abzugeben. Dennoch betrachten die über 100 internationalen Wahlbeobachter die Wahlprozedur als korrekt. Nach eigenem Augenschein jedoch kam es in der Region Split zu Unregelmäßigkeiten. Zeugen berichteten, ihnen wären Wahlunterlagen von Mitgliedern der Wahlkommission am Wahltag ins Haus gebracht worden, wo sie auch abgestimmt hätten. Von offiziellen Stellen war in bezug auf diese Praxis bislang noch keine Stellungnahme zu erhalten.

Angesichts der Krankheit Tudjmans – nach US-amerikanischen Angaben mußte sich der Präsident im Herbst vorigen Jahres in Washington einer Krebsbehandlung unterziehen – spekulieren Oppositionelle darauf, daß Tudjman sein Mandat nicht ausschöpfen kann. Dann hätte die Opposition eine Chance, einen Machtwechsel einzuleiten. In der Regierungspartei HDZ haben zudem schon seit Monaten Nachfolgekämpfe begonnen. Die Partei droht ohne die Integrationskraft Tudjmans auseinanderzufallen.

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