Eine Chance für Clarke

■ Der Ex-Schatzmeister ist bei der Wahl des neuen Tory-Vorsitzenden Favorit

Dublin (taz) – Die Todessehnsucht der britischen Tories ist doch nicht so groß, wie es am Dienstag noch aussah. Der Eurogegner John Redwood, der vorgestern beim zweiten Wahlgang zur Parteiführung als schwächster Kandidat ausgeschieden war, hat seinen Anhängern empfohlen, bei der entscheidenden Wahl heute für Kenneth Clarke zu stimmen. Der frühere Schatzkanzler, der europafreundlichste der Kandidaten, mußte Redwood versprechen, bei der Abstimmung über die Europäische Währungsunion keinen Fraktionszwang zu verhängen.

Clarke, 56, ist nun Favorit für die Nachfolge John Majors. Er erhielt am Dienstag 64 Stimmen, sein schärfster Rivale William Hague brachte es nur auf 62 Stimmen. Redwood, der 38 Stimmen erhielt, forderte Hague zur Aufgabe auf und sagte: „Die Zeit für die Einheit der Partei ist gekommen.“

Dem 36jährigen Hague ist seine wetterwendische Politik zum Verhängnis geworden. Galt er noch vor zehn Tagen als Kandidat der Mitte, der für Ruhe sorgen könnte, so bewegte sich sein Standpunkt seitdem immer mehr nach rechts, weil er die Stimmen der Euroskeptiker kassieren wollte.

Der rechte Flügel nimmt Hague seine Läuterung nicht so recht ab. Teresa Gorman, für die Europa ein rotes Tuch ist, sagte, Hague sei „zu jung und unerfahren“. Die Tories müßten aufhören, sich zu benehmen, als ob sie noch an der Macht seien. Für die Oppositionsarbeit, so fügte sie zum Erstaunen ihrer Parteifreunde hinzu, sei „ein politisches Schwergewicht“ vom Format Clarkes nötig, hinter dem sich die Partei neu formieren könne.

Ob diese Rechnung aufgeht, ist zweifelhaft. Die Wahlrunde am Dienstag hat gezeigt, wie tief gespalten die Partei ist. Wenn nun das Wahlverfahren verändert wird, bei dem nur die Abgeordneten den Tory-Parteichef wählen dürfen, kann man damit rechnen, daß der Neue noch vor den nächsten Parlamentswahlen von einem Kandidaten des anderen Flügels herausgefordert wird. Ralf Sotscheck