Nachgefragt: „Kritiker bestätigt“
■ Zu Kita-Gebühren M. Spieker (Grüne) war unsozial“/ Interview mit Maria Spieker (Grüne)
Nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bremen sind die Kitagebühren zu hoch. Über die Niederlage der großen Koalition in Sachen Kita-Finanzierung sprach die taz mit der grünen Bürgerschaftsabgeordneten Maria Spieker.
taz: Frau Spieker, wie beurteilen Sie das OVG-Urteil?
Maria Spieker: Wir, die Grünen, fühlen uns natürlich in unserer Kritik bestätigt. Wir sagen seit einem Jahr: Diese neue Gebührenordnung ist unsozial und konterkarriert den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Geschätzt bis zu fünf Prozent aller Eltern können ihre Kinder nicht anmelden, da sie es nicht bezahlen können. Und das hat das OVG heute bestätigt.
Unsozial – was meinen Sie damit konkret?
Die Senatorin muß eine neue Gebührenordnung schaffen, die sozial gestaffelt ist und bei der der Höchstbetrag von 619 Mark im Monat nicht schon bei einem Durchschnitts-Einkommen von 5.000 Mark einsetzt.
Wie sieht ihr Vorschlag aus?
Das ganze System muß wesentlich gerechter gestaffelt werden. Zur Zeit zahlen Bezieher von kleinen Einkommen, die nur knapp über der Niedriglohnschwelle liegen, schon hohe Beiträge. Die Gebühren gehen also ab einem bestimmten Einkommen rasant in die Höhe. Zudem müssen die Gebühren, die sich seit 1988 verdreifacht haben, wieder auf ein verträgliches Maß zurückgeschraubt werden.
Was wäre verträglich?
Wir haben in der Ampel als Höchstsatz 424 Mark beschlossen. Das war bereits ein Kompromiß. Darüber wollen wir nicht hinausgehen.
Die große Koalition wollte mit den Gebühren eine 15prozentige Kostendeckung im Kita-Bereich erzielen. Wie sollen die Kitas nach ihren Vorstellungen finanziert werden?
Man sollte bei Kita-Plätzen nicht mit dem Begriff Kostendeckung arbeiten, wenn die Gebühren unsozial werden. Die Finanzierung muß aus dem Gesamthaushalt kommen. Den direkten Vergleich Kita-Gebühren und Kita-Kosten lehne ich ab.
Beim OVG ist eine zweite Klage anhängig
Am 18. August entscheidet das OVG über die Anhebung des Mindestbeitrags bei den Gebühren. Der ist von 41 auf 48 Mark angehoben worden. Wir Grünen haben schon im vergangenen Jahr bezweifelt, ob dies überhaupt rechtens ist. Abgesehen davon, daß es ebenfalls sozial ungerecht ist. Die Bemessungsgrundlagen bei Sozialhilfeempfängern wurden viel zu hoch angesetzt. Damals die 41 Mark waren schon an der Grenze. Aber die 48 Mark sind viel zu hoch.
Was muß jetzt passieren?
Frau Wischer muß schleunigst ein neues Konzept auf den Tisch legen, damit die Eltern, die ihre Kinder zum 1. August angemeldet haben, wissen, womit sie rechnen müssen. Das muß die Bürgerschaft im Juli absegnen. Interview: Jens Tittmann
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