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„Gott ist doch ein Konservativer“

William Hague wird zum neuen Tory-Chef gewählt. Jetzt will er die Partei zusammenschweißen. Bei Labour nimmt man es gelassen. Hier traut keiner Hague den großen Wurf zu  ■ Aus London Ralf Sotscheck

Also doch William Hague. Der 36jährige ist vorgestern zum jüngsten Tory-Chef seit zwei Jahrhunderten gewählt worden – mit erstaunlich klarem Vorsprung: Er erhielt 92 Stimmen, sein Gegner Kenneth Clarke kam nur auf 70 Stimmen der konservativen Abgeordneten.

Clarke, dem europhilsten Konservativen, ist sein „Pakt mit dem Teufel“ zum Verhängnis geworden, wie es die britische Presse bezeichnete. Er hatte sich nach dem zweiten Wahlgang mit dem schärfsten Euro-Gegner John Redwood, der als schwächster der drei Kandidaten ausgeschieden war, zusammengetan, um Hague zu stoppen. Diese Rechnung ging nicht auf. Viele der Abgeordneten, die Clarke unterstützt hatten, wandten sich aufgrund diesese Pakts von ihm ab und wählten Hague. Die Vorstellung von Redwood als stellvertretendem Parteiführer war für sie zu schwer verdaulich.

Auch Redwoods Leute sahen in dem Bündnis eine zynische Taktik, die nur auf persönlichen Animositäten begründet war. Redwood und Hague können sich nicht ausstehen, seit Hague vor zwei Jahren das Amt des Ministers für Wales von Redwood nach dessen vergeblichen Versuch, John Major zu stürzen, übernommen hatte.

Und dann war da noch Margaret Thatcher. Die Baronin aus dem Oberhaus adoptierte am Mittwoch Hague als ihren Wunschkandidaten. In Wirklichkeit hätte sie lieber Rechtsaußen Michael Portillo an der Parteispitze gesehen, doch der Exverteidigungsminister konnte nicht antreten, weil er im Mai seinen Parlamentssitz verloren hatte. Er hoffe nun auf eine Nachwahl in einem Tory-Wahlkreis – nach dem Tod eines Abgeordneten. Hinter vorgehaltener Hand sprach Thatcher denn auch von Hague als „provisorischem Parteichef“.

Der gab sich großzügig im Gefühl des Sieges. Die Einigkeit der Partei sei nun das Wichtigste, sagte er. „Häßliche Worte sind gefallen“, fügte er hinzu, „aber ich werde nicht zulassen, daß jemand nachtragend ist.“ Dann bot er Clarke einen Posten in seinem Schattenkabinett an. Doch Clarke winkte ab: Er werde sich nach 26 Jahren in vorderster Tory-Reihe jetzt auf die Hinterbänke zurückziehen. Der Flügelstreit um Europa ist längst nicht beigelegt.

Doch vorerst feiert die Rechte ihren Sieg. Archie Hamilton, der Vorsitzende des erzreaktionären Hinterbänklerkomitees von 1922, rief freudestrahlend: „Ja, ja, ja! Gott ist doch ein Konservativer!“

Auch die Labour-Party ist zufrieden. Als die Kunde von Hagues Sieg ins Unterhaus drang, schwenkten die Labour-Abgeordneten ihre Akten – der traditionelle Ausdruck großer Freude. Man traut dem unerfahrenen Hague nicht zu, in Unterhausdebatten gegen Premier Tony Blair zu bestehen. Handelsministerin Margaret Becket sagte: „Es gibt zwei Tory-Parteien. William Hague weiß nicht, zu welcher er gehört.“

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