: Abschalten und verwalten
Per Knopfdruck: Wie Hamburger Behörden in unterkühlter Atmosphäre das Klima retten und Energie sparen wollen ■ Von Heike Haarhoff
Wenn es bloß nicht so kalt wäre. Das umweltbewegte Dutzend schlottert am Hufeisentisch im klimatisierten Konferenzsaal 826 der Wirtschaftsbehörde. Hier tagt sonst nur der Senator. Ob er auch immer so friert? Füße scharren über den blauen Teppichboden. Bis zum 1. Juli sind es nur noch wenige Tage. Dann sollen die zwölf MitarbeiterInnen aus den Behörden für Wirtschaft und Stadtentwicklung, die sich an diesem Juni-Nachmittag hier freiwillig versammelt haben, als „Multiplikatoren“ihre 1.500 KollegInnen die eine typische Handbewegung lehren, die so ungeheuer wichtig ist für's Energiesparen: Finger auf das Knöpfchen von Kaffeemaschine, Computer oder Lampe und abschalten.
„Fifty-fifty“heißt das städtische Energiesparprogramm, das seit 1994 an Hamburgs Schulen läuft und ab dem 1. Juli „in einer bundesweit einmaligen Aktion“auch auf die wirtschaftenden und stadtentwickelnden Landesämter ausgedehnt werden soll. Wer Energie spart, verdient: 50 Prozent der eingesparten Kosten kriegt der Konsument, also Schule oder Behörde, 50 Prozent das Stadtsäckel.
Schon geht die Angst um: Darf man ab sofort keinen Kaffee mehr im Dienst schlürfen, weil seine Zubereitung Energie verbraucht? „Kann ich meinen Computer in der Mittagspause ausschalten?“fragt eine Frau zaghaft. Schon „so oft“sei sie „auf den erbitterten Widerstand der Techniker“gestoßen.
„Niemand soll auf etwas verzichten“, stellt der energieberatende Entsandte der Umweltbehörde klar, und zwölf Hände kritzeln erleichtert mit. „Aber“, ermutigt er und schaltet seinen Overhead-Projektor aus, „das hier ist praktiziertes Energiesparen“. Dann empfiehlt er, „sich erst mit einer Energieart zu beschäftigen“, um die Mitarbeiter nicht gleich zu überfordern.
Es wird immer kälter. Individuell läßt sich das zugige Klimagebläse nicht abstellen. Die Gruppe hat keine Wahl. Ohnehin war es schwer, einen gemeinsamen Termin zu finden: „Wir dürfen uns nur außerhalb der Gleitzeit nach 15 Uhr treffen, da gehen die meisten lieber nach Hause“, klagt Werner Steinke von der Arbeitsgruppe Ökologie und friert tapfer.
800.000 Mark umfaßt das Budget für Wasser- und Energiekosten in dem achtstöckigen Gebäude am Alten Steinweg. Ziel ist, zwei bis drei Prozent des Verbrauchs zu reduzieren. Das sind in Zahlen immerhin 24.000 Mark. Viel Anreiz, fand Werner Steinke und startete eine Umfrage, was die Kollegen anschließend mit dem Geld anfangen wollten. „Ein Fitneßraum“im Behördenkeller und „Betriebsausflüge“standen an oberster Stelle. Doch diese Wünsche werden unerfüllt bleiben. Der „Kontenrahmen für Sachausgaben“, der sich durch das Energiesparen erhöht, sieht solche Ausgaben nicht vor. Deswegen werden die Beamten mit neuen, ökogestrichenen Fahrradständern vorliebnehmen müssen.
Dennoch finden die meisten die Aktion „gut“. Nur die Stadtentwicklungs-Behördenleitung im dritten Stock plagt zuweilen die Sorge, übereifrige Ökos könnten ihnen den Schreibtischalltag zur Hölle machen. „Wir“, fröstelt es Pressesprecher Bernd Meyer, „haben schon längst keinen Warmwasserhahn mehr auf unseren Toiletten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen