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Kraftakt der Koalition vor den Sommerferien

■ Senat einigt sich auf 12 Berliner Bezirke und Reform des Parlaments ab 1999. Landesvermögen soll veräußert werden. CDU verhindert politisches Bezirksamt. Grüne und PDS kritisieren Gebietsreform. SPD-Basis: Böger ist vor CDU „eingeknickt“

Die Koalition aus CDU und SPD hat sich nach monatelangem Gezänk über die Themen Bezirks- und Parlamentsreform sowie in der Frage der Konsolidierung des Haushalts zusammengerauft. Federn lassen mußten beide Regierungspartner. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) geht jedoch mit einem leichten Punktsieg über die SPD aus den Verhandlungen hervor. Während die Genossen bei der Gebietsreform zwar ihre Vorstellungen durchboxen konnten – 12 Bezirke im Jahr 1999 statt der CDU-Variante 12 Bezirke 2003 –, behielt die CDU in der Frage der „politischen Bezirksämter“ die Oberhand.

Bis 2010 werden die Stadträte weiter nach der Stärke der in die Bezirksparlamente gewählten Parteien bestimmt. Lediglich der Bezirksbürgermeister wird mehrheitlich gewählt. Damit hat die CDU ihr Hauptziel erreicht, den Einfluß der PDS in den Ost-Bezirken nicht weiter anwachsen zu lassen. Der SPD-Vorschlag für das politische Bezirksamt war von CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky stets angegriffen worden. Für Diepgen bedeutete das Ergebnis zugleich, daß die „Einheitsgemeinde gesichert“ wird und nicht durch eine „Gegnerschaft der Bezirke“ ihre Dominanz verliert.

Bei der Parlamentsreform (die Abgeordnetenzahl wird ab 1999 von 206 auf 130 reduziert) zeigte sich SPD-Landesboß Detlef Dzembritzki zwar „zufrieden“. Die SPD-Linie, nur 100 Abgeordnete in den Landtag einziehen zu lassen, wurde aber verfehlt. Mit Überhang- und Ausgleichsmandaten kommt das Parlament auf 150 bis 170 Mitglieder. Die CDU war mit 150 Abgeordneten ins Rennen gegangen.

„Aufeinander zubewegt“, wie sich SPD-Fraktionschef Klaus Böger ausdrückte, haben sich die Koalitionäre in der Frage der Haushaltskonsolidierung. Der geplante Verkauf von 50.000 landeseigenen Wohnungen „soll vorrangig an Mieter gehen“, sagte Dzembritzki. Erst dann werde man sich über die Veräußerung an Dritte Gedanken machen. Auch beim geplanten Verkauf des „Tafelsilbers“ – landeseigener Grundstücke, städtischer Betriebe wie Gasag oder von Anteilen an der Wohnungsbaugesellschaft Gehag – ist man sich einig geworden. Dieses Landesvermögen soll rund 6 Milliarden Mark in die Haushaltskasse bringen.

Während Landowsky die Übereinkunft beim bezirklichen Wahlmodus und die Beschlüsse zur Privatisierung von Landesvermögen als „großen Schritt nach vorn“ bewertete, stieß dies bei der Opposition auf Kritik. Die Entscheidungen markierten „einen trügerischen Sommerfrieden“, erklärte Grünen-Fraktionschef Wieland. Bei der Haushaltskonsolidierung seien „keine zukunftsgerichteten Ergebnisse“ herausgekommen. Der Gebietsreform, die „weniger Demokratie“ bedeute, würden die Grünen im Parlament die Zustimmung für die notwendige Zweidrittelmehrheit verweigern.

Rudolf Zotl (PDS) kündigte an, seine Partei werde die Initiativen für eine Volksabstimmung über die Gebietsreform unterstützen. Die Gewerkschaft ÖTV ging „auf Distanz“ zu den Koalitionsbeschlüssen und wandte sich gegen die Privatisierungspläne der Wasserwerke. Protest signalisierte auch die SPD-Basis. Der Gebietsreform würden die Kreuzberger SPDler „nicht zustimmen“. Sie warfen Böger vor, vor der CDU „eingeknickt“ zu sein. Rolf Lautenschläger

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