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Sanft trommeln Tropfen

■ Nur nicht nervös werden, wenn das Wasser seine Bahnen zieht: Wimbledon an einem Tag, als der Regen kam Von Albert Hefele

Von Albert Hefele

London (taz) – Wenn man den Literaten glauben will, ist englischer Regen etwas Besonderes. „Pouring“ ist der Begriff für das stetige, sanft trommelnde Tröpfeln. Wie dünnes Öl zieht das Wasser seine Bahnen über die allgegenwärtigen und natürlich laubgrünen Planen und Bleche und Blätter. Gerinnt auf den turmhohen Helmen der starr staksenden Bobbies. Glitzert auf den sommersprossigen Wangen sehr junger, rothaariger Mädchen.

Kein Regen, dem man um jeden Preis entkommen will, ist das, aber einer, der einen anfällt wie ein winziges, aber stetig gefräßig knabberndes Tierchen.

Ein eigentlich angenehmer, weicher Regen. Vielleicht stimmt er die Menschen deswegen milde. Denn während eines Wimbledon- Regentages scheint sich niemand aufzuregen.

Nicht richtig jedenfalls. Man klagt auf eine unambitionierte beiläufige Art und Weise. Trotz der andauernden Dusche, trotz der fehlenden Tennis-Unterhaltung. Gestern war so ein Tag.

Die Spieler, die am Tag zuvor gespielt hatten und eine Runde weiter sind, werden sowieso dankbar sein für den zusätzlichen Ruhetag. Außerdem kennen sie Wimbledon. Boris Becker ist zum 14. Mal da. Da sagt man nichts anderes mehr als ein lapidares: „Man muß es nehmen, wie es kommt.“ Becker ist gut gelaunt, seit er auf dem sogenannten Friedhof der Stars die erste Wimbledon-Runde überlebt hat. „Ich weiß gar nicht, warum er Friedhof der Stars genannt wird“, tat er ahnungslos. Wie stark der Mann wirklich ist, wird sich aber erst noch weisen müssen: Der Spanier Marcos Aurelio Gorriz hatte ihn beim 6:3, 6:2, 6:3 nicht fordern können. Jedenfalls ist er genauso in Runde zwei wie Michael Stich und Anke Huber: Da trifft Becker auf den Schweden Thomas Johansson.

Wann? Das hängt natürlich vom Wetter ab.

Wenn nicht gespielt wird, kauern die Fans an den Tischen der Freßzelte unter ihren Schirmen und trinken ihr Bier, während die Verkäufer flugs auf Plastikumhänge umgestellt haben. Während drinnen den Herren ihr Vier-Uhr- Tee serviert wird, sitzen auf dem Court Number One zweitausend Leute und sehen zu, wie der Regen auf das grüne Rasenschutzzelt fällt. Das hat etwas sehr Entspannendes. Manchmal sagt der Stadionsprecher, daß sich der Beginn der Spiele wohl noch eine Weile hinauszögern werde: „Thank you for your patience.“

Nur nicht nervös werden. Wenn nicht gespielt wird, gelten die Karten im nächsten Jahr: selber Tag, selber Court. Wenn allerdings die Spieler auch nur für fünfzehn Minuten aktiv werden, haben die Karteninhaber Pech und im ungünstigsten Fall für zwei Aufschlagspiele 22 Pfund bezahlt.

Was leicht passieren kann: Der letzte Regentag mit komplettem Spielausfall ist schon fünf Jahre her. Das passierte am 3. Juli 1992.

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