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"SPD will ökologischen Umbau"

■ Die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn über ihren Streit mit Gerhard Schröder: Wir brauchen weniger Bürokratie und ein besseres Umweltmanagement

taz: Frau Griefahn, Sie werben immer wieder für „ökologisch-sozialen Umbau“ oder für „mehr Arbeitsplätze durch Umweltschutz“ – liegen Sie damit noch auf SPD- Parteilinie?

Monika Griefahn: Natürlich.

Ihr Chef, Ministerpräsident Gerhard Schröder, spricht von einem administrativen Overkill in der Umweltpolitik, der die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik hemmt. Ist das die Parteilinie?

Hier muß man zwei verschiedenen Sachverhalte trennen. Einmal geht es um die Frage, wieviel Arbeitsplätze wir durch mehr Umweltschutz gewinnen. Allein durch eine tatsächliche CO2-Reduktion, wie sie Helmut Kohl jetzt in New York wieder nur versprochen hat, würden wir etwa 150.000 bis 200.000 Arbeitsplätze im Handwerk und im verfahrenstechnischen Bereich schaffen. Gerhard Schröder verlangt zu Recht, daß überall in Deutschland die Genehmigungsverfahren im Umweltbereich so schnell abgeschlossen werden, wie dies in Niedersachsen schon geschieht. Mit Hilfe neuer Managementmethoden werden bei uns 80 Prozent aller Genehmigungsverfahren innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen.

Herr Schröder will mit seiner Kritik der Umweltpolitik doch keineswegs Griefahns Verwaltung als Vorbild preisen.

Der Ministerpräsident war immer sehr an schnellen Genehmigungsverfahren interessiert. Wir haben daraufhin gemeinsam mit der Wirtschaft einen Leitfaden entwickelt, der in der ganzen Republik auf großes Interesse gestoßen ist. Wir stellen aber auch jungen Erfindern im Umweltbereich Risikokapital zur Verfügung, wir stehen für eine moderne Umweltpolitik, die vor Innovationen keine bürokratischen Hürden aufrichtet.

Nach Aussage von Gerhard Schröder sollten Ökologie und Ökonomie längst versöhnt sein. Er will sich dabei allerdings weniger um die Umwelt, sondern mehr um die Wirtschaft kümmern. Finden Sie das richtig?

Gerhard Schröder hat hier vordringlich bürokratische Hemmnisse im Auge, die sich hinter europarechtlichen und bundesrechtlichen Vorschriften verbergen. Bis heute müssen Unternehmen etwa die jährlichen immissionschutzrechtlichen Erklärungen zu dicken, bis zu 500 Seiten starken Wälzern ausdrucken. Sie dürfen nicht die entsprechenden Daten einfach in den Computer der Genehmigungsbehörde übertragen. Auch im Umweltbereich müssen eben gesetzliche Regelungen so geändert werden, daß ein modernes Management möglich wird.

Mit Schröder droht ein SPD- Bundestagswahlkampf unter dem Motto „Wirtschaft zuerst – Umwelt am Schluß“?

Diese Sorge habe ich nicht. Die SPD als Gesamtpartei will den ökologisch-sozialen Umbau. Das hat ja auch das Präsidium am Montag noch einmal bekräftigt. Ausschließlich preiswert und schön können auch andere Länder produzieren. Wir haben den Umweltvorteil, der uns einen weiteren Exportmarkt schafft. Wir haben 10.000 neue Arbeitsplätze allein im Windenergiesektor, der bis nach Indien exportiert. Auch wirtschaftlich ist für uns der Umweltschutz die Perspektive. Dazu gehören angepaßte Technologien für die „Dritte Welt“ genauso wie etwa neue Nanno-Technologien, mit denen sich der Materialeinsatz reduzieren läßt. Zwischen der Kritik an Bürokratien auch im Umweltbereich und der Frage, welche Vision wir für Deutschland haben, muß man eben genau unterscheiden.

Hat Ihr Brief an Gerhard Schröder, in dem Sie einige seiner Äußerungen zur Umweltpolitik monierten, Wirkung gezeigt?

Kurz danach hatten wir ein Gespräch. Gerhard Schröder geht es bei seinen Äußerungen wirklich nur um Genehmigungsverfahren und Bürokratien im Umweltbereich, nicht um die Visionen oder die innovativen Produkte, die wir eben angesprochen haben. Interview: Jürgen Voges

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