: Staatsanwalt und Buschneger
■ Generalstaatsanwalt Hans-Jürgen Karge will "den Sachverständigenzirkus abschaffen. Das ist auch bei den Buschnegern so." Strafverteidiger fordern Ablösung
Der Generalstaatsanwalt beim Landgericht, Hans-Jürgen Karge, hat sich mit einem Interview wieder einmal in die Nesseln gesetzt. In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom Mittwoch plädiert er dafür, das Schuldprinzip im deutschen Strafrecht abzuschaffen und den „ganzen Sachverständigenzirkus“ gleich mit. Der Chef von über 300 Anklägern der Stadt stellte sich eine Rechtsprechung vor, die wie auf dem Fußballplatz funktionieren soll: „Objektive Regelverstöße müssen zu Sanktionen führen. Das ist überall so, von den primitivsten Buschnegern bis hin zu den Tieren“, so Hans-Jürgen Karge in der SZ wörtlich.
Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger und Bündnis 90/ Die Grünen forderten Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) gestern auf, sich nach diesem neuerlichen Ausfall „schleunigst“ von Karge zu trennen.
Seit seiner Amtseinführung 1994 ist der auf dem rechten SPD- Ticket zu dem Posten gekommene Jurist oft ins Fettnäpfchen getreten, wenn er sich öffentlich äußerte. 1996 schalt er die ihm untergebenen jungen Staatsanwälte, nicht so viel zu jammern, sondern zu arbeiten.
Den Richtern unterstellte er, keine Ahnung von der Realität zu haben. Ein Sturm der Entrüstung brach los. Der Präsident des Landgerichts sprach entsetzt von „Stammtischniveau“.
Karge bekam daraufhin von der Justizsenatorin einen Maulkorb verpaßt. Aber der korpulente Mittfünfziger, der sich selbst als Kommandeur eines „Panzerkreuzers“ versteht und seinen Ruf als Stammtischredner und Scharfmacher laut SZ ganz offensichtlich „genießt“, ließ sich nicht auf Dauer ruhigstellen. Als er der SZ das Interview gab, wußte er ganz genau, was folgen würde: „Es gibt zwar wieder Ärger, aber die Leute haben ein Recht zu erfahren, wer ihr Generalstaatsanwalt ist“, hatte er dem Gespräch laut SZ zugestimmt.
Von der Justizsenatorin war gestern aufgrund eines Auswärtstermins keine Stellungnahme zu erhalten. Der Artikel sei ihr bekannt, erklärte Justizsprecherin Corinna Bischoff. Die Forderung Krage zu entlassen, sei „populistisch“, weil Peschel-Gutzeit dies gar nicht könne. Plutonia Plarre
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