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Wider die Homophobie

■ Feminismus-Veteranin Luise Pusch wetterte gegen die Verstrickungen der Gender Studies und Queer Theory: „Es gibt keinen hinterhältigen homophoben Diskurs“

Im Jahre 1980 hätte sie sich fast um ihren Job gebracht: Damals dachte Luise Pusch, feministische Linguistin, aber auch „selbsternannte Humoristin“, ernsthaft darüber nach, ihre Antrittsvorlesung an der Universität Konstanz über „Sprache und Homosexualität“zu halten. In weiser Vorausicht ließ sie es bleiben. Heute reist sie als vehemente Kritikerin allzu lauten Geklages über eine angeblich homophobische Sprache durch die Lande und hält Vorträge über Sinn und Unsinn bestimmter linguistischer Forschungsfelder. Am vergangenen Mittwoch lauschten ihr etwa zweihundert Studentinnen (und etwa zehn Studenten) im großen Hörsaal der Bremer Universität.

Wer in den USA an einer halbwegs aufgeklärten Uni Soziologie studiert, kommt um sie nicht herum: Die sogenannten „Gender Studies“, notdürftig übersetzt mit „Geschlechterwissenschaften“, oder auch „Queer Theory“. Immer mit Blick auf Michel Foucaults Diskurstheorie und Magnus Hirschfelds Sexualforschung wird das Verhältnis der Geschlechter analysiert, sexuelle Symbolisierungen hinterfragt. Gender Studies ziehen Querverbindungen durch alle Disziplinen – in dem Glauben, nichts verbinde zum Beispiel Jura, Medizin und Wirtschaft so sehr wie die Geschlechterfrage.

Die „Queer Theory“stellt immer wieder die Frage homophobischer Diskurse in den Vordergrund, betrachtet linguistisch Diskrimierung, Ausgrenzung und Verdrängung von Schwulen und Lesben. Der Homosexuelle, so heißt es unter Berufung auf Foucault, werde von einem homophobischen Diskurs quasi kreiert - „und soll gleichzeitig“, so Pusch, „sozial unangepaßt, ein moralischer Versager und ein sexuell Perverser sein.“

Zu den Anhängern der Theorie, der Diskurs bewirke immer wieder nur die Ablehnung der Homosexuellen, sprach Pusch in ihrem gewohnten Zynismus beruhigende Worte. Die sprachliche Sorge sei „überflüssig, weil unbegründet.“Statt um Homophobie solle sich die feministische Linguistik lieber um eine vernünftige Kritik an den um sie rankenden Theorien bemühen.

Die Übertragung der Mann-Frau-Dichotomie - in der Linguistik gilt der Mann als „unmarkiert“und damit prioritär, weil er auch als Alleinvertreter der Menschheit gilt, die Frau als „markiert“– auf die Begriffe „homosexuell“und „heterosexuell“sei „blanker Unsinn“. „Der größte Fehler“, so Pusch, „ist, daß es in der Gender/Queer-Debatte immer nur um einzelne Wörter oder um Textmassen geht – um woman, man, sex, gender, gay, lesbian“. Für viele der Begriffe, die so entstünden, seien aber nicht einmal ExpertInnen in der Lage, eine brauchbare Definition zu liefern. Immer aber werde Unterdrückung gewittert.

Daß Begriffe inkohärent seien und verschiedene Bedeutungen und Konnotationen hätten, so Pusch, sei aber kein „hinterhältiges Charakteristikum homophober Diskurse, sondern natürliches Verhalten von Wörtern.“So könne auch eine Mutter eine Frau sein, die ein Kind geboren oder eins angenommen hat, oder eine Raben- oder Stiefmutter. Und ebenso sei ein Homosexueller eben wahlweise jemand, der an einer Perversion des Geschlechtstriebs leide, im falschen Körper geboren sei, jemand, der gleichgeschlechtlich lieb, oder „eine Frau, die weiß, was sich gehört.“

Anstatt ständig Homophobie zu wittern, regte Pusch an, solle man sich lieber auf die guten alten feministischen Strategien der 70er-Jahre besinnen: auf das Sichtbar-machen und das Stärken der eigenen Gruppe. Denn: „Das Maskulinum ist auch nicht mehr, was es einmal war.“

Und da gab es in dem Hörsaal richtig Applaus. jago

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