piwik no script img

Ein reines Gewissen im Kleinkaliber

■ Der Hamburger Bolko Bullerdiek erzählt von den Enttäuschungen der großen Liebe

Wenn Omis nur den Enkelinnen „die wahre Geschichte ihrer Liebe“beichten, wenn Papis immer auf der Seite ihrer Töchter stehen und die Männer sich unentwegt in die Psyche der Frauen eindenken, dann ist das Sentiment und die biedere Selbstgerechtigkeit griffbereit und zum Abwinken nahe.

Besonders, wenn sich solches Auffächern von Verständnis und Erfahrungstiefe – wie in dem jetzt erschienenen Erzählband Flattern auf grünem Granit – die ganze Zeit in den gleichen ordnungsgemäßen Regionen abspielt. Für die vier Erzählungen des Buches gerade so zwischen kritischer Habachtstellung und sensibel-einfühlsamer Identifizierung.

Bolko Bullerdiek, der mit Flattern auf grünem Granit nach zahlreichen Veröffentlichungen in niederdeutscher Sprache, seine, wie er im Nachwort betont, erste „hochdeutsche Prosa“vorlegt, hat eine starke Vorliebe für die Spektren der ehrlichen Innen- und Gesinnungsschau.

Ob es die larmoyanten Lebensbetrachtungen einer frustrierten Managerin auf Spanienurlaub und auf den Spuren längst vergangener Leidenschaften sind, das Wehklagen eines von seiner Freundin verlassenen Mannes oder, wie in Unter der Mondsichel, der langwierige Verlauf einer Reise, die einen Vater und seine zwanzigjährige Tochter nach Anatolien und auf den Fragenkomplex der Emanzipation junger Töchter führt. Der Hamburger Autor überläßt es einem psychologisierend bekennenden Stil der Betroffenheit, sein simples Bild der Ereignisse zu zeichnen. Stimmen von hier und da, eingefangen wie die gängigen Pros und Contras und nur selten durch die Kurzkommentare eines Erzählers ergänzt, leiten schematisch über das Lebenspanorama seiner Figuren, die alle nur damit beschäftigt sind, ihren sentimentalen Liebes-Erinnerungen nachzuhängen.

Exemplarisch ist dieses erzählerische Kleinkaliberverfahren etwa an dem Text Das Bild dahinter abzulesen, der bewegenden Beichtgeschichte einer Großmutter an ihre Enkelin Silke. Dort läßt Bullerdiek gleich ein ganzes Ensemble antreten, mit all den trotzigen Verwandten und Nachbarn, die Annas – so der Name der bekennenden Oma – angeblich unorthodoxe und jugendgefährdende Lebensführung entweder sehr gut, ein bißchen oder überhaupt nicht verstehen können. Mehrstimmig wird es dadurch aber nicht. Einfach ein harmlos und artig befolgtes Klischee kommt dabei heraus, ganz so, wie es der vermeintlichen Losung des Autors entspricht: „Ein gutes Gewissen“, läßt Bullerdiek seinen Erzähler an einer Stelle erklären, sei „eine gute Voraussetzung fürs Schreiben“.

Man muß fast annehmen, daß er das ernst meint.

Elisabeth Wagner

Bolko Bullerdiek: Flattern auf grünem Granit, Hinstorff-Verlag, Hamburg, 1997, 126 Seiten, 19.80 Mark

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen