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Schlechte Noten für die Schule

Die britische Regierung hat dem niedrigen Bildungsstandard den Kampf angesagt: Kinder sollen vor „schlechten Schulen“ geschützt werden  ■ Von Ralf Sotscheck

„Die Apartheid, die durch die Trennung in öffentliche und private Schulen kreiert worden ist, beeinträchtigt das gesamte Bildungssystem.“ Dieser Satz stand im Wahlkampfmanifest der britischen Labour Party. Tony Blair ließ keinen Zweifel daran, welche Prioritäten seine Regierung setzen will: „Bildung, Bildung, Bildung“. Und auch im „Queen's Speech“, dem Regierungsprogramm für die nächsten zwölf Monate, das die Labour Party der Königin in den Block diktiert hatte, stand die Verbesserung des Schulsystems an erster Stelle.

Der Ruf der staatlichen Schulen in Großbritannien ist miserabel. Die Privatschulen, für die Eltern im Durchschnitt umgerechnet fast 4.000 Mark pro Semester hinblättern müssen, konnten im vorigen Jahr indes einen Schülerzuwachs von 1,7 Prozent verzeichnen. Von den 25.000 Schulen in Großbritannien sind acht Prozent Privatschulen. David Blunkett, der blinde Bildungsminister, will nun die Beihilfe streichen, die Kindern aus ärmeren Familien gewährt wird, damit sie Privatschulen besuchen können. Die eingesparten hundert Millionen Pfund sollen investiert werden, um die Klassenstärke noch vor den nächsten Wahlen unter 30 zu bringen.

Blunkett hat dem niedrigen Bildungsstandard den Kampf angesagt: Die Schulen, die in den Augen der Schulinspektoren versagt haben, werden gnadenlos geoutet. Drei Wochen nach ihrem Amtsantritt im Mai veröffentlichte die Regierung eine Liste der 18 schlechtesten Schulen im Land. Bei der Bewertung geht es nicht nur um das Niveau, sondern auch um Disziplin, Schulschwänzen, den Lärmpegel. Minuspunkte gibt es, wenn die SchülerInnen in den Pausen das Schulgelände verlassen und sich im nächsten Eckladen mit Proviant versorgen.

Die Lehrergewerkschaften sind über die Veröffentlichung der Schwarzen Listen entsetzt. Sie glauben, daß durch die Rufschädigung ein Kreislauf in Gang gesetzt werde, aus dem die Schule nicht mehr herauskommt – auch wenn das Ministerium „Hilfstruppen“ schicken will, die die betroffenen Schulen auf Vordermann bringen sollen. Falls das nicht funktioniert, werden die Schulen dichtgemacht.

Stephen Byers, Staatssekretär im Bildungsministerium, hat erklärt, er werde nicht davor zurückschrecken, die von den Tories verabschiedeten Gesetze anzuwenden. So können Direktoren und LehrerInnen im Eilverfahren entlassen und die Schulen mit neuem Personal wieder geöffnet werden. „Wenn ein Lehrer die Zukunft der Kinder gefährdet“, sagte Blunkett, „muß man genauso eingreifen wie bei einem rasenden Lokomotivführer, der das Leben der Passagiere gefährdet.“ George Varnava, der Direktor der Ashburton- Schule in Süd-London, die auf dem vorletzten Platz der Schwarzen Liste landete, hält davon nichts. „Man kann eine Schule schließen, sie unter neuem Namen und mit neuen Schuluniformen wieder aufmachen, aber am Ende sind es dieselben Kinder“, sagt er.

Möglicherweise werden Blunketts Pläne noch von seiner eigenen Regierung torpediert. Schatzkanzler Gordon Brown hat angekündigt, daß er die Ausgabenpolitik der Tories für die nächsten zwei Jahre unverändert übernehmen wird. Der knappe Bildungsetat hatte aber unter den Tories dafür gesorgt, daß die Klassenstärke im Durchschnitt stetig anstieg. Ein Drittel aller Grundschüler, also 1,2 Millionen Kinder, sitzen heute in Klassen von weit über 30 SchülerInnen. Blunkett will mehr Geld für die Kommunalverwaltungen, wenn das Budget in dieser Woche verteilt wird. Andernfalls, so befürchtet er, werde es heftige Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den Labour-Bezirksräten geben, und „Tausende von Lehrern müßten ihren Hut nehmen, weil man sie nicht bezahlen kann“, so munkelt man im Bildungsministerium.

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