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„Neue Chancen für die Umweltpolitik“

■ Der Amsterdamer EU-Gipfel hat die Einführung von Ökosteuern möglich gemacht

Heute treffen sich Umweltministerin Angela Merkel und EU-Umweltkommissarin Ritt Bjerregaard, um über EU-Umweltpolitik nach dem Amsterdamer Gipfel zu sprechen. Unter dem Slogan „Greening the Treaty“ haben die europäischen Ökoverbände dazu beigetragen, die Umweltpolitik in den EU-Verträgen zu stärken. Über die Auswirkungen des Amsterdamer Vertrags auf die Umweltpolitik sprach die taz mit dem Regionalforscher Christian Hey

taz: Herr Hey, was bringt die Amsterdamer Einigung der Umwelt?

Christian Hey: Der revidierte EU-Vertrag bringt neue Chancen für eine entschlossene Umweltpolitik – sie müssen von den Mitgliedstaaten aber auch genutzt werden.

Was heißt das konkret? Sind etwa die Hürden für europäische Ökosteuern gesenkt worden?

Nein, hier ist immer noch Einstimmigkeit erforderlich.

Dann wird es doch auch weiterhin keine Bewegung bei diesem Kernstück einer europäischen Umweltpolitik geben?

Doch, dank der neuen Flexibilitätsregelung können künftig Länder, die enger zusammenarbeiten wollen, ohne die anderen vorangehen. Dies gilt auch für die Ökosteuer, bei der vor allem die südeuropäischen Länder bremsen. Bei den informellen Treffen der Ökosteuer-Befürworter sind immerhin neun EU-Staaten vertreten.

Wie sähe so eine abgestufte Integration dann aus?

Zuerst müßte der Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit beschließen, daß die Einführung von Ökosteuern ein Fall für die Flexibilitätsregelung ist. Dann würden etwa die neun Ökosteuer-freundlichen Staaten eine Regelung treffen, die nur für diese Länder gilt. Dabei wären die üblichen Regeln anzuwenden: Wenn es um Steuern geht, wäre also Einstimmigkeit erforderlich – allerdings nur unter den beteiligten Staaten.

Welche neuen Chancen bietet der Vertrag noch?

Verbessert wurde die Möglichkeit für einzelne Mitgliedstaaten, als nationale Vorreiter umweltpolitische Akzente zu setzen. Es ist zwar schon seit 1987 möglich, daß Mitgliedstaaten bereits bestehende fortschrittliche Regelungen bei einer EU-Rechtsangleichung beibehalten können. Umstritten war bisher aber, ob auch nach einer Rechtsharmonisierung noch neue weitergehende Regelungen eingeführt werden dürfen. Dies wurde jetzt klargestellt.

In Deutschland könnte jetzt also eine weitergehende Kennzeichnung von Gentech-Lebensmitteln vorgeschrieben werden?

Ja, unter zwei Bedingungen: Zum einen müssen neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, zum anderen muß ein spezielles Problem in Deutschland entstanden sein. Als solches „spezielles Problem“ würde ich die Tatsache ansehen, daß die Menschen hier einfach kein Gen-food essen wollen.

Erwarten Sie wirklich, daß EU- Mitgliedstaaten jetzt häufiger den Ökovorreiter spielen?

Ja, die skandinavischen Länder, die diese Verbesserung durchgesetzt haben, werden sie wohl auch nutzen. In Deutschland kommt es darauf an, die Chancen zu betonen und so Handlungsdruck zu erzeugen. Wenn wir nur jammern, machen wir es der Politik zu leicht, ihre Untätigkeit zu rechtfertigen.

Immerhin wurde die EU in Amsterdam auch auf das Prinzip der „nachhaltigen Entwicklung“ festgelegt. Für die Kampagne „Greening the Treaty“ ist das doch ein wichtiger Erfolg.

In meinen Augen ist das vor allem Symbolik. Der Begriff „nachhaltige Entwicklung“ wird im novellierten EU-Vertrag geradezu inflationär gebraucht. Dabei versteht unter diesem Begriff jeder gerade das, was er will.

Gilt diese Kritik auch für die neue Klausel, nach der die EU in allen Politikbereichen Umweltschutzbelange zu beachten hat?

Diese Klausel bringt nichts grundlegend Neues. Eine ähnliche Aufforderung findet sich jetzt schon im Vertrag. Wichtiger wäre, daß sich die EU konkrete Ziele setzt.

Wie könnte das aussehen?

Der Ministerrat müßte der EU sektorale Umweltziele vorgeben, also zum Beispiel im Verkehrsbereich eine Reduktion der Stickoxide um 80 Prozent binnen zehn Jahren. An solchen Zielen könnten dann die konkreten Vorschläge und Maßnahmen der EU gemessen werden. In Amsterdam versprach zwar die Kommission erneut, daß sie ihre Vorschläge einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterwerfen will. Hierfür sind aber konkrete Kriterien erforderlich. Interview: Christian Rath

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