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Kriegsspiel pervertierter Abenteurer?

Statisten spielten bei Bundeswehrübungen für den Bosnieneinsatz Vergewaltigung und Hinrichtung. Ob und wieviel ihre Vorgesetzten von den Horrorvideos wußten, ist bisher ungeklärt  ■ Von Bettina Gaus

Bonn (taz) –Das Videoband, auf dem Bundeswehrsoldaten Hinrichtungen, Folterszenen und Vergewaltigungen simuliert haben, ist offenbar an drei aufeinanderfolgenden Tagen in der Mittagspause auf dem Gelände der Infanterieschule im unterfränkischen Hammelburg gedreht worden. Bisherigen Erkenntnissen der Hardthöhe zufolge waren sechs Wehrpflichtige aus einem Bataillon im sächsischen Schneeberg an der Herstellung des Films beteiligt. Anstifter und Mittäter soll ihr unmittelbarer Vorgesetzter, Stabsunteroffizier Tobias L., gewesen sein.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums betonte gestern in Bonn erneut, gegen die Täter solle „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ vorgegangen werden. Disziplinarrechtlich könnte sich das schwierig gestalten. Der Film ist im April 1996 gedreht worden. Bis auf einen Wehrpflichtigen sind inzwischen alle Beteiligten aus der Bundeswehr entlassen worden.

Die Hardthöhe beabsichtigt jedoch auch, Strafanzeige zu stellen. Die Täter können möglicherweise unter dem Vorwurf der Herstellung gewaltverherrlichender Videos verfolgt werden. Denkbar ist laut Verteidigungsministerium auch eine Bestrafung wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole oder wegen Unterschlagung. Für das Video wurde vermutlich Munition aus Bundeswehrbeständen verwendet.

Die jungen Männer waren entgegen zunächst anderslautenden Meldungen nicht für einen Auslandseinsatz im ehemaligen Jugoslawien vorgesehen, sondern als Statisten eingesetzt. Sie spielten die Rolle von „Heckenschützen“ im Rahmen einer Ausbildung von Soldaten, die tatsächlich an Missionen der Bundeswehr im Ausland teilnehmen. Diese sollen in Hammelburg Situationen üben, mit denen sie am Einsatzort konfrontiert werden können: Überfall auf einen Konvoi, Umgang mit Minenbedrohung, Trennung von Konfliktparteien.

Die Ausbildung dauert zwei Wochen. Die Statisten, die für diese Übungen in verschiedene Rollen schlüpfen, werden aber meist für mehrere Kurse hintereinander eingesetzt. Tobias L. und seine sechs Untergebenen waren sechs Wochen in Hammelburg eingesetzt.

Das Verteidigungsministerium prüft jetzt auch, wer außer den unmittelbar Beteiligten noch von dem Videoband gewußt hat und ob diesem Personenkreis ebenfalls Strafen drohen. „Wir gehen davon aus, daß dieses Video zumindest im Kameradenkreis gezeigt wurde“, erklärte der Sprecher. Unklar sei bisher noch, wieso es jetzt, mehr als ein Jahr nach Fertigstellung, an die Öffentlichkeit gekommen sei. Auf die rasche Klärung dieser Frage drängt auch der Zusammenschluß kritischer Soldaten vom „Darmstädter Signal“. Deren Vorständler Helmuth Prieß sagte gegenüber der taz, es sei völlig unverständlich, warum Vorgesetzte nicht eher über das Video berichtet hätten.

Der Obersleutnant a. D. kennt die Ausbildungsverhältnisse am Standort Hammelburg. Prieß sagte: „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit haben Vorgesetzte vom Video gewußt.“ Von Kollegen habe er erfahren, daß jene Soldaten, die bei Übungen als Statisten eingesetzt werden, um die Rolle der „Störer“ zu mimen, dies „mit Herz“ spielten.

Prieß bemängelte in diesem Zusammenhang, daß solche Rollenspiele nicht psychologisch nachbetreut werden. Wenn junge Wehrpflichtige zu lange solche Rollen spielten, liefe man Gefahr, „daß sie sich in eine pervertierte Abenteuerrolle“ hineinsteigerten. So könnte die Idee für das Gewaltvideo zustande gekommen sein.

Unterdessen mehrten sich gestern die Stimmen, die Sat.1 aufforderten, das Video nicht zu senden. Der Deutsche Journalistenverband hingegen befürwortete die Ausstrahlung mit der Begründung, der Vorgang sei „so skandalös, daß er auch einer breiten Öffentlichkeit dargestellt werden muß“.

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