: Nato: Zwei müssen draußen bleiben
■ Rumänien und Slowenien werden vorläufig nicht in die Militärallianz aufgenommen. US-Präsident Bill Clinton setzt sich beim Nato-Gipfel gegen Frankreich durch: Nur Polen, Tschechien und Ungarn bekommen grünes Licht
Madrid (taz) – Die Staats- und Regierungschefs der 16 Nato-Staaten wollen die Verteidigungsallianz um Polen, Ungarn und Tschechien erweitern. Nach über fünfstündigen kontroversen Beratungen auf dem Madrider Gipfeltreffen teilte Nato-Generalsekretär Javier Solana gestern am späten Nachmittag mit, daß diesen ersten drei Staaten des ehemaligen Ostblocks Beitrittsverhandlungen angeboten werde sollen. Die Erweiterung auf 19 Mitglieder soll 1999 zum 50. Geburtstag des Bündnisses wirksam werden. Mit Blick auf die übrigen osteuropäischen beitrittswilligen Länder beschloß der Gipfel, entgegen früheren Ankündigungen, kein konkretes Signal für eine zweite Runde von Beitrittsverhandlungen zu geben. Frankreichs Präsident Chirac hatte zwar noch einmal Nachbesserungen verlangt, er konnte sich aber nicht durchsetzen.
Frankreich hatte gedrängt, auch Rumänien und Slowenien in die erste Runde mit aufzunehmen. Sie werden in der Gipfelerklärung namentlich lediglich als Staaten erwähnt, die deutliche Fortschritte auf dem Weg zu einer Nato-Mitgliedschaft gemacht hätten. Die drei baltischen Staaten werden ausdrücklich als Länder bezeichnet, denen die Option auf einen späteren Nato-Beitritt offensteht. Mit diesem Gipfelbeschluß konnten die USA ihre bereits Anfang Juni von Clinton verkündete Haltung auf der ganzen Linie durchsetzen. Nicht nur in der französischen Delegation wurde das kompromißlose Vorgehen der Amerikaner als Diktat empfunden. Bundesaußenminister Kinkel kritisierte, daß die USA ihre Interessen in jüngster Zeit „etwas zu massiv“ verträten.
Unterstützt wurde Präsident Clinton in Madrid vor allem von Großbritanniens Premierminister Blair. Die deutsche Delegation vertrat im Streit um die Aufnahme neuer Mitglieder keine klare Position. In einer Erklärung zu Bosnien appellierte der Gipfel zum wiederholten Male an die Konfliktparteien, das Dayton-Abkommen in allen seinen Aspekten umzusetzen – inklusive der Kooperation mit dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Konkrete Maßnahmen zur Festnahme des Serbenführers Radovan Karadžić und anderer vom Tribunal als Kriegsverbrecher angeklagter Personen wurden jedoch nicht beschlossen.
Mit der Erweiterung dehnt sich das Bündnis bis an die Grenze Rußlands aus. Moskaus Außenminister Primakow erklärte: „Das ist vielleicht der schwerste Fehler nach dem Ende des Kalten Krieges.“ Die Abgeordneten des ungarischen Parlaments applaudierten demonstrativ, als die Nachricht von der Einladung zu Nato-Beitrittsverhandlungen bekannt wurde. In Polen wurde die Entscheidung in allen politischen Lagern mit großer Freude aufgenommen. Der tschechische Außenminister Zieleniec sah auch wirtschaftliche Vorteile: „Für uns ist das ein weiteres Plus, weil wir Teil des Sicherheitsraumes werden. Wir werden so interessant für Kapital.“ Andreas Zumach
Tagesthema Seite 3
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