■ Madrid: Rußland bleibt das zentrale Problem der Nato
: Die neue Ordnung wankt

Charta zwischen der Nato und Rußland, Abkommen zwischen Rußland und der Ukraine und nun auch eine Charta zwischen der Ukraine und der Nato – ist mit diesem vertraglichen Dreiecksverhältnis nun die „europäische Sicherheitsarchitektur“ vollendet und die Gefahr künftiger Konflikte gebannt, wie auf dem Madrider Nato-Gipfel suggeriert wurde? Keineswegs.

Denn alles hängt davon ab, ob und in welche Richtung die Nato nach 1999 ihre Ostausweitung weitertreibt. Durch großzügige Interpretation aller in der Charta mit Rußland zugesagten Kooperationsformen könnte die Nato der Regierung in Moskau zumindest den Eindruck vermitteln, sie sei an Entscheidungen der Allianz beteiligt. Das könnte die nach wie vor erheblichen russischen Bedenken gegen die Nato- Ostausweitung zumindest vorübergehend dämpfen.

Im Fall der Charta mit der Ukraine gilt nun genau das Umgekehrte. Eine extensive Umsetzung einiger in dieser Charta formulierten Absichten könnte zusätzliche Probleme mit Rußland schaffen. So würde die rüstungstechnologische Zusammenarbeit die russische Rüstungsindustrie aus der Ukraine verdrängen. Der neuralgische Punkt aber bleibt eine etwaige Nato-Mitgliedschaft der Ukraine. Sie wird in der Charta als Möglichkeit ausdrücklich benannt – wenn auch nur in der allgemeinen Formulierung, daß die Ukraine das Recht habe, ihre Mitgliedschaft in militärischen Allianzen frei zu wählen. Ein Nato-Beitritt der Ukraine wäre für Rußland freilich noch weniger akzeptabel als einer der drei baltischen Staaten. Für diesen Fall hat Jelzin bereits mit der Aufkündigung der Charta mit der Nato gedroht. Klar ist auch: Einen Nato-Beitritt der Ukraine würde Moskau zu Recht als Verstoß gegen das Abkommen zwischen Moskau und Kiew empfinden. Denn dort wurde die Respektierung der jeweiligen Sicherheitsinteressen vereinbart.

Der Konflikt zwischen der Nato und Rußland über eine Aufnahme der baltischen Staaten ist angesichts der ermunternden Formulierungen in der Madrider Gipfelerklärung nur noch eine Frage der Zeit. Die dann zu befürchtende rapide Verschlechterung im Verhältnis zwischen Rußland und dem Westen könnte dazu führen, daß die Ukraine ihrerseits auf einen Nato-Beitritt drängt. Das vertragliche Dreiecksverhältnis dürfte ein solches Szenario kaum überleben. Andreas Zumach