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Freie Fahrt ab Ozon-Alarmstufe eins

■ Greenpeace fordert billige Tickets für Hamburgs Busse und Bahnen bei Sommersmog

Greenpeace und der Verband deutscher Verkehrsunternehmen möchten beim Umsteigen helfen, wenn es reizend wird. Beide Organisationen empfehlen die Einführung eines „Ozontickets“: Bei Sommersmog sollten Fahrten mit Bussen und Bahnen zum Spartarif angeboten werden. Hamburg lehnt jedoch dankend ab.

Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) erwartet pro Tag mindestens 200.000 Mark weniger Einnahmen, wenn Autofahrer Busse und Bahnen kostenlos benutzen dürfen. Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Rolf Polle verweist auf ein entsprechendes Modell in Gütersloh. Legt man die Hamburger Schätzung auf die Einwohnerzahl der Kreisstadt um, gäbe es dort ein Defizit von 30.000 Mark täglich. „Damit wäre das Projekt bei uns nie gelaufen“, versichert Peter Greulich, Umweltdezernent in Gütersloh. „Wir rechnen schlimmstenfalls mit Mindereinnahmen von 1.500 Mark am Tag.“

Mehr als schätzen aber kann auch Greulich nicht. Denn seit vergangenem Jahr hat es in Gütersloh keinen Tag mit mehr als 180 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft gegeben – der amtlichen Alarmstufe 1, bei der vor körperlicher Anstrengung im Freien gewarnt wird.

Aber Gütersloh ist nicht Hamburg. Der Anteil der Autofahrer, die hin und wieder mal den Bus in die Innenstadt nehmen, ist in Hamburg wesentlich höher als in Ostwestfalen. Entsprechend höher wären für den HVV die Einnahmeverluste. Außerdem sei es für Nicht-Autofahrer „kaum zu verstehen, warum sie nach wie vor den vollen Preis bezahlen müssen, während die Autofahrer, die zum Ozonanstieg beigetragen haben, kostenlos fahren dürfen“, so HVV-Sprecherin Gisela Becker.

Ähnlich sieht es die Hamburger Umweltbehörde. Es sei gut, wenn Aufrufe zum Autoverzicht von Anreizen zum Umsteigen begleitet würden, sagt Umweltbehörden-Sprecher Kai Fabig. „Aber ich halte es nicht für gerecht, wenn Autofahrer umsonst fahren im Gegensatz zu den Leuten, die keines haben und von vornherein die Umwelt nicht so stark belasten.“

Der HVV hat schon mal zwei Ticketalternativen für alle VerkehrsteilnehmerInnen geprüft. Variante eins: Alle dürfen für lau fahren. Variante Nummer zwei: Alle dürfen einsteigen, zum Pauschal-Preis von 1,50 Mark. Die Einnahmeausfälle schätzt der Verband auf 750.000 Mark (Variante lau) beziehungsweise 370.000 Mark (Variante 1,50 Mark).

Der Pauschal-Preis wäre ganz im Sinne von Greenpeace. „Öffentlicher Transport ist eine Dienstleistung“, so Greenpeace-Ozonexperte Karsten Smid. „Das muß auch etwas kosten.“Greenpeace drängt darauf, das Ozon-Ticket schon ab 120 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft einzuführen, zusammen mit einem konsequenten Fahrverbot. Denn ab 120 Mikrogramm Ozon, so haben internationale Studien bewiesen, schädigt der Smog vor allem die Gesundheit von Kindern.

„Freiwillige Maßnahmen alleine reichen nicht aus“, meint auch Antje Möller, Umweltexpertin der GAL-Bürgerschaftsfraktion. Ihre Partei möchte den Grenzwert für Fahrverbote von derzeit 240 Mikrogramm auf 180 Mikrogramm senken und diverse Ausnahmeklauseln (etwa für Diesel- und Kat-Wagen) streichen. Möller: „Ein solches Fahrverbot mit einem Freifahrt-Ticket zu kombinieren, das macht Sinn.“Der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VdV) hat die Greenpeace-Empfehlungen an seine Mitglieder weitergegeben. In einem internen Schreiben heißt es: „Der VdV regt an, diese Aktion zu unterstüzen. Über konkrete Maßnahmen der Zusammenarbeit kann nur vor Ort entschieden werden.“

In Hamburg aber winken HVV sowie Bau- und Verkehrsbehörde ab. Die Eigentümer des HVV – mehrere Städte und Kreise – seien „wahrscheinlich kaum bereit“, die Defizite zu übernehmen, so HVV-Sprecherin Becker. Und in der Baubehörde, zuständig für die Genehmigung der HVV-Tarife, reagierte ein Mitarbeiter ratlos bis entsetzt: „Zweihunderttausend Mark weniger Einnahmen am Tag? Das sind bei zehn Tagen ja zwei Millionen. Wo sollen wir die denn her nehmen?“ Achim Fischer

Aktuelle Ozon-Werte veröffentlicht die Umweltbehörde unter

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