: Geloopte Worte
■ Martha Cinader bei der Poets Lounge
Am Mittwoch abend gab der Mojo Club zum wiederholten Mal den Ring für den Wettstreit junger Poeten frei. Doch zum Streit kam es nicht wirklich, da die jungen Männer, die den Abend einleiteten, nicht ihre eigenen Texte vortrugen, sondern die des vor zehn Jahren verstorbenen Jörg Fauser, dem „deutschen Bukowski“, wie er gerne genannt wird. Das eigentliche Kräftemessen bezog sich somit auf die Kunst des Vortragens, die hierzulande noch nicht so geübt zu sein scheint. So versuchten die Vortragenden, einem Schauspielgestus gerecht zu werden, der so verkrampft daherkam, daß man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, sie alle seien von einer imaginären Macht beherrscht, die ihnen unaufhörlich ins Ohr zu flüstern schien: „Fühle den Text – sei authentisch!“So kam es, daß Flausers Texte wie ein feuchtwarmer Aufguß pubertärer Pickelpoesie klangen, bestimmt von geheimen Männerphantasien über Lust und Liebe, Drogen und Politik. Soviel zum warm-up.
Der eigentliche Anlaß des Zusammentreffens war ja schließlich der Auftritt der New Yorker Poetin Martha Cinader, die, begleitet von der Kontrabassistin Sabine Worthmannn, dem Schlagzeuger Heinrich Köpperling und der DJane Marga Glanz den Liebhabern der „Spoken Words“einen genußvollen Abend lieferte. Aus der amerikanischen Performance-Tradition kommend, werden einzelne Wörter wie Legobausteine aus dem Satzzusammenhang gerissen, schleifenförmig geloopt und neu zusammengesetzt.
Dabei spielten ihre Musikerfreunde heftig mit. Während der Schlagzeuger den rhythmischen Klangteppich schaffte, schmiß Sabine Worthmann schrille Bässe, kindliche Blockflötenklänge und andere seltsame Töne in den Raum, die die gesprochenen Worte von Martha Cinader wie zartes Glas durch die Luft hoben oder in tausend Scherben zerlegten.
Ihr aktuelles Programm mit dem Titel sub talk besteht aus vielen kleinen Geschichten, die Überschriften wie „White Linnen“, „King Leopold“, „Eat more Things“und „Livin' it is movin' it“tragen. Die Geschichten handeln von bösen Imperatoren der Weltgeschichte, starken Frauen, Fisch an Freitagen und einer Frau, die sich für einen Tag lang einen Schwanz ausleihen kann, um wilde Liebesnächte zu erleben und große Karrieren zu starten.
Bei so vielen unterschiedlichen Themen gab es viele unterschiedliche Stimmungen, die einen unterhaltsamen Abend schafften. Durch das Mitspiel einer plattenauflegenden DJane wurden der DJ-Kultur ebenso wie der Literatur neue Experimente beschert.
Claude Jansen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen