: Feminine Umwelttechnik
Frauen wählen zunehmend ökotechnische Berufe. Vereine bieten speziell weiblichen Azubis Qualifikationsmöglichkeiten an■ Von Kim Kindermann
Frauen geben Technik neue Impulse – darauf zumindest bauen zunehmend die Ausbildungsstätten für Frauen in den Bereichen Bau- und Ingenieurswesen. Und die Praxis scheint ihnen recht zu geben, denn sobald in einem Ausbildungsablauf für den sonst von Frauen ungeliebten Bereich Technik das Thema Umwelt auftaucht, schlagen die Frauenherzen höher.
Bestes Beispiel sind die Universitäten: Während in den sogenannten „harten“ Ingenieurstechniken wie beispielsweise Elektrotechnik oder Maschinenbau der Frauenanteil unter 8 Prozent liegt, sind im Bereich Umwelttechnik fast 40 Prozent der Studierenden Frauen; Tendenz steigend. Auch im Bereich Gartenbau nimmt die Anzahl der Frauen stetig zu. Galt der Beruf des Gärtners bis vor wenigen Jahren als „Männerdomäne“, hat er sich innerhalb der letzten 15 Jahre zu einem reinen Mischberuf entwickelt.
Woran es liegt, daß Frauen sich mehr für Technik in Verbindung mit Ökologie interessieren, ist ein Phänomen, das oft mit der unterschiedlichen Sozialisation von Mädchen und Jungen erklärt wird. „Mädchen erleben Technik anwendungsorientiert“, erklärt die Frauenbeauftragte der TU Berlin, Heidi Degethoff, „sie fragen sich immer nach dem Nutzen ihres Tuns und werden dazu erzogen, einen Gesellschaftsbezug herzustellen.“
Diese Erkenntnis hat dazu geführt, daß die Ausbildungsstandards für Frauenförderung im handwerklichen Bereich mittlerweile die Zusatzqualifikation Umwelttechnik fest in ihren Lehrplan integriert haben. Mit diesem Angebot erhofft man sich nicht nur ein prinzipiell größeres Interesse junger Frauen für die Ausbildung in einem männerdominierten Beruf zu wecken, sondern will ihnen dadurch auch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und somit ihre späteren Arbeitsmarktchancen verbessern.
Bei gerade mal bei 2,8 Prozent liegt der Frauenanteil in den männlich dominierten Berufen, zu denen etwa das gesamte Bauwesen zählt. Viele Frauen lassen sich von der Aussicht abschrecken, ausschließlich von männlichen Kollegen, Vorgesetzten und Ausbildern umgeben zu sein. Darüber hinaus fehlen nach wie vor weibliche Vorbilder, die zeigen, daß Frauen sich durchaus in den vermeintlichen Männerberufen behaupten können.
Diesem Mißstand begegnen die gemeinnützigen Vereine wie Life, InPäd oder Baufachfrau Berlin. In allen drei Einrichtungen werden nur Frauen ausgebildet.
Unter Bezeichnungen wie „Gas-Wasser-Sonne“ oder „StrOHMerin“ bietet das Ökotechnische Frauenbildungszentrum Life jungen Frauen die Möglichkeit, eine Ausbildung in den Bereichen Gas-Wasser- oder Elekroinstallation zu machen. Es handelt sich dabei um dreieinhalbjährige, von der Kammer anerkannte Ausbildungslehrgänge, verbunden mit der Zusatzqualifikation in Ökotechnik. Schwerpunkt der ökotechnischen Ausbildung sind die Planung, Installation und Wartung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen sowie thermischer Solaranlagen.
Auch hier beobachten die Mitarbeiterinnen von Life, daß sich Frauen mit der Orientierung auf Umweltaspekte eher aus ihren Rollenbildern lösen. „Die soziale Alltagserfahrung von Mädchen macht diese besonders sensibel für Umweltprobleme“, erklärt Sabine Bangert von Life das Interesse der Frauen an konkreten praktischen Lösungen zur Umweltproblematik. Innovative Lösungsmodelle kann man bereits in den Hallen von Life bewundern. Hier stehen neben solarbetriebenen Backöfen und Booten auch schon die ersten Gesellenstücke der weiblichen Auszubildenden.
Auch InPäd baut bei der zweieinhalbjährigen Umschulung für Frauen im Handwerk in erster Linie auf die Zusatzqualifikation im Bereich Umweltschutz. Hier werden die Frauen in einem Lernortverbund ausgebildet. Das heißt: Ein Hauptteil der Umschulung findet in Betrieben statt. Dort lernen die Frauen von Anfang an, sich dem Umgang mit den männlichen Kollegen zu stellen. Fast alle Betriebe nehmen in den nachfolgenden Kursen wieder Umschülerinnen auf. Auch Dorothea Schemme vom Berliner Bundesinstitut für Berufsbildung betont, daß Ausbilder, sobald sie selbst Frauen ausgebildet haben, ihre Vorurteile ablegen.
Die Zusatzqualifikation in Ökotechnik wird in Projekten des Vereins Baufachfrau vermittelt: Im Frühjahr 1996 wurde von Ingenieurinnen und Technikerinnen eine zweistufige Pflanzenkläranlage für ein Aussiedlerübergangswohnheim am südstlichen Stadtrand von Berlin gebaut. Ein weiteres Projekt ist das der „Ökolaube“, die als Modell auf dem Gelände der Baufachfrauen in der Meyerbeerstrae 36 steht. Hierbei wurde Solartechnik ebenso eingesetzt wie Lehmbauteile, die von den Handwerkerinnen nach alter Bautechnik angefertig wurden.
Baufachfrau hat es sich darüber hinaus zum Ziel gemacht, junge Frauen zur Weiterbildung zur Meisterin zu ermutigen und zu fördern. Deshalb bemühen sich die Mitarbeiterinnen, den persönlichen Kontakt zu Kolleginnen herzustellen, um sich gegenseitig bei der Suche nach Arbeitsplätzen zu unterstützen und Vorurteile gegen Frauen auf dem Bau abzubauen.
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