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„Das Verbot ist seit langem überfällig“

■ Professor Detlef W. Fölsch befaßt sich schon seit Jahren mit der Hühnerhaltung

Der Zoologe und Tiermediziner Professor Detlef W. Fölsch hat zwischen 1968 und 1993 an der Universität Zürich und der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich unter anderem über das Verhalten und die Gesundheit von Legehennen in verschiedenen Haltungssystemen geforscht. Seit 1993 ist er Professor an der Gesamthochschule Kassel im Fachbereich Landwirtschaft – Nutztierethologie und artgemäße Tierhaltung.

taz: Seit 1993 ist in der Schweiz die Käfighaltung von Legehennen abgeschafft. Geht es den Schweizer Hühnern in Boden-, Volieren- und Freilandhaltung nun besser?

Detlef Fölsch: Es geht ihnen deutlich besser, schließlich müssen sie nicht mehr in Käfigen leben. Wichtig ist, daß sie in Boden-, Volieren- und Freilandhaltung die Möglichkeit haben, sich ihrer Art entsprechend zu verhalten. Sie können in Nestern ihre Eier ablegen, können Sandbäder nehmen und auf einer erhöhten Sitzstange ruhen und schlafen. Außerdem haben sie viel mehr Freiheiten in ihrem Sozialverhalten: Anders als in den Käfigen können sich die Hennen selbst ihre Nachbarinnen auf der Sitzstange aussuchen.

Befürworter der Käfighaltung behaupten, daß Hennen in intensiver Boden- und Freilandhaltung infektionsanfälliger seien, häufig aufeinander losgingen und stärker verkeimte Eier legen. Welche Erkenntnisse haben Sie während Ihrer Forschungen in der Schweiz gewonnen?

Zunächst einmal muß es in der intensiven Boden- und Freilandhaltung eine Mengenbegrenzung geben. Höchstens sechs bis sieben Hühner, nicht nur Hennen, auch Hähne, pro Quadratmeter sollten es sein. In der Volierenhaltung, die in der Schweiz entwickelt wurde, können mehr Hühner, bis zu 14 pro Quadratmeter, gehalten werden, weil sie hier durch die spezielle Konstruktion zusätzliche, höher gelegene Flächen sowie eine Scharrgrube haben. In unseren Untersuchungen, in die über Jahre hinweg 16 Betriebe verschiedener Haltungssysteme einbezogen waren, haben wir keinen Beleg dafür gefunden, daß die Eier aus alternativer Haltung stärker mit Keimen belastet wären als aus Käfighaltung. Keime gibt es natürlich überall; entscheidend ist, daß die Tiere gesund sind. Dazu aber ist Tageslicht unabdingbar.

Und wie sieht das nun mit der Salmonellenbelastung bei diesen Eiern aus?

Da gibt es keine Unterschiede. Man darf nicht vergessen, daß Salmonellen sehr häufig durch die unsachgemäße Lagerung oder Zubereitung von Speisen verbreitet werden – besonders in Großküchen. Die Übertragung von Keimen durch Kot läßt sich in der Boden- und Freilandhaltung zudem eingrenzen: In modernen Betrieben gibt es Transportbänder unter den Sitzstangen, wo erfahrungsgemäß der meiste Kot anfällt. Damit ist die Gefahr, daß sich die Tiere untereinander über den Kot infizieren, deutlich gesunken.

In der Bundesrepublik werden rund 90 Prozent der Legehennen in Käfigen gehalten. Halten Sie ein – von grünen und sozialdemokratischen Europaparlamentariern gefordertes – Verbot der Käfighaltung in der EU hier für realisierbar?

Auf jeden Fall. Eine Übergangsfrist von fünf Jahren würde vollauf reichen. Immerhin gibt es das Modell Schweiz, an dem sich die Länder mit hohem Käfighaltungsanteil orientieren können. Das Verbot ist seit langem überfällig, schließlich sagt Paragraph 2 des Tierschutzgesetzes deutlich, daß ein Tier entsprechend seiner Art und seinen Bedürfnissen gepflegt und untergebracht werden muß, daß ihm Schmerzen und vermeidbare Leiden nicht zugefügt werden dürfen. Interview: Grudrun Giese

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