: Gnadenlose Idealisten an der Terroristenfront
■ Passend zum Datum 20 Jahre Deutscher Herbst, jubelt ein neues Buch die Spezialtruppe des Bundesgrenzschutzes, die GSG 9, zu Superhelden hoch
Spätestens seit Heinrich Breloers TV-Rückblick auf die Schleyer-Entführung der RAF und die Kaperung einer Lufthansa-Maschine durch ein palästinensisches Kommando („Todesspiel“), weiß es auch der letzte: Zum zwanzigsten Mal jährt sich der Deutsche Herbst. Die ersten, derer man sich erinnerte, waren jedoch nicht die Opfer, sondern die „Helden“. Kürzlich stellten Ex-Innenminister Hans-Dietrich Genscher und Ex-GSG-9-Kommandeur Ulrich K. Wegener im Haus der Geschichte in Bonn ein Buch über die GSG 9, die Elitetruppe des Bundesgrenzschutzes, vor.
Zum Zeitpunkt des Mogadischu-Einsatzes im Oktober 1977 war die GSG 9 bereits fünf Jahre alt, ohne daß ihre Existenz groß bekannt gewesen wäre. Auslöser für die Aufstellung der (damals) einzigartigen Spezialtruppe war eine wilde Schießerei zur Befreiung israelischer Geiseln, die sich die bayerische Polizei 1972 auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck mit dem Palästinenserkommando „Schwarzer September“ geliefert hatte.
„In diesem Buch gewährt die GSG 9 Einblicke in Bereiche, die bisher der Allgemeinheit verwehrt blieben“ – so steht es auf dem Klappentext, aber ganz richtig ist dieser Anreißer nicht. Richtig ist vielmehr, daß es sich um die Fortschreibung eines inhaltsgleichen Buches von 1978 handelt. Erwartungsgemäß ist es somit wieder ein Jubelband geworden, und da diese dem hellen Licht verpflichtet sind, werfen Skandale nur äußerst kurze Schatten. So verwundert es nicht, daß die Autoren, eine PR-Beraterin und der Redakteur einer Waffen-Postille, solche Einsätze wie in Mogadischu oder gegen die Rockergruppe Bones 1988 ausführlich schildern, das Desaster um die Festnahme der RAF-Aktivistin Birgit Hogefeld und die Erschießung ihres Partners Wolfgang Grams in Bad Kleinen 1993 dagegen flugs abhandeln. Schnell kommen sie zu dem Ergebnis, daß eine unzureichende technische Ausstattung vor Ort und eine „wankelmütige, unkoordinierte Informationspolitik der für Bad Kleinen verantwortlichen Stellen“ für den mißlungenen Einsatz und deren Nachbereitung verantwortlich gewesen seien.
Daß es der GSG 9, die längst in „Einsätzen, von denen keiner spricht“, unterwegs ist und inzwischen auch über eine Fallschirmspringer- und eine Kampfschwimmereinheit verfügt, auch künftig nicht an Aufgaben fehlen soll, verspricht das Buch deutlich. Neben dem weltweiten „Bedrohungspotential Terrorismus“ gibt es ja auch noch „die osteuropäische Mafia“ und zudem eine Seeräuberei „wie zu Schwarzbarts Zeiten“. Der Sicherheitsbeauftragte beim Bund Deutscher Reeder empfiehlt als bestes Mittel gegen Piraterie übrigens einen Hund an Bord – was für eine altmodische Methode!
So gerät das Buch über die „gnadenlosen Idealisten“, wie sich die GSG-9-Beamten selbst gern charakterisieren, Seite um Seite immer mehr zu einem Ärgernis. Eine sachgerechte Darstellung einer Eliteeinheit ist – über technische Details hinaus – hier nicht entstanden. Eine kritische schon gar nicht. Statt dessen fühlt man sich bei diesem Hochglanz-Bilderbuch an einen Action-Comic erinnert. Allerdings ist dieser verdammt real. Otto Diederichs
Kerstin Froese/Reinhard Scholzen: „GSG 9. Innenansichten eines Spezialverbandes des Bundesgrenzschutzes“. Motorbuch Verlag, Stuttgart, 175 S., DM 49,80
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen