piwik no script img

Willkommen im RTL-Klub

■ Kampf um den lukrativsten Werbemarkt Osteuropas: Bertelsmanns CLT-Ufa bekam die Lizenz für Ungarns erstes Privatfernsehen. Jetzt klagt der Unterlegene

Bei der politischen Wende im Osten waren sie die ersten, doch beim Medienboom steht Ungarn ganz hinten: Das Donauland ist eines der letzten ehemaligen Ostblock-Länder ohne überregionales Privatfernsehen. Das soll sich nun, nach jahrelangem Streit um die ungarische Medienpolitik, spätestens Ende des Jahres ändern. Ende Juni vergab der Landesausschuß für Rundfunk und Fernsehen (ORTT) Sendelizenzen an zwei internationale Konsortien.

Mit dabei: die deutsch-luxemburgische CLT-Ufa, die als Tochter des Bertelsmann-Konzerns in ganz Europa die RTL-Kette betreibt, sowie eine Gruppe mit dem weltgrößten Medienkonzern Disney. Die CLT-Ufa hat mit ihren Partnern bereits den Sender RTL- Klub gegründet. Schon im Oktober soll es losgehen, auch wenn das eine „extrem kurze Deadline“ ist, wie Heinz Thym einräumt, der in Luxemburg für den Programmeinkauf des Senders zuständig ist. RTL-Klub soll ein Programm ganz wie die anderen RTL-Sender werden, sagt Thym – der Lizenzbehörde hatte man noch ein „High Quality“-Programm mit viel ungarischer Kultur versprochen.

Der ungarische Werbemarkt gilt als der lukrativste in Osteuropa. Das Volumen allein für TV- Werbung wird gegenwärtig auf knapp 350 Millionen Mark geschätzt. Doch während die ersten unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften schon beim Abtritt der Kommunisten von der Macht im Jahre 1989/90 erschienen und auch lokale private Radio- und Fernsehsender seit Jahren senden, haben politische Kontroversen die Vergabe von Lizenzen an landesweite Privatfernsehsender verzögert. Die beiden postkommunistischen Regierungen – eine rechtskonservative und die gegenwärtige sozialistisch-liberale – versuchten immer wieder, sich die drei staatlichen Fernsehsender (MTV 1, MTV 2, Duna TV) politisch gefügig zu machen.

Kein Wettbewerb war teurer

Nun könnte die Privat-TV-Lizenzvergabe eine neue Episode in diesem „Medienkrieg“ sein. Bei der Entscheidung, so heißt es in der ungarischen Öffentlichkeit, hätten politische Gründe eine Rolle gespielt. Dabei setzte das Mediengesetz den Bewerbern enge Grenzen: Kein Eigentümer darf mehr als 49 Prozent eines Senders besitzen, außerdem müssen wenigstens 26 Prozent in ungarischer Hand bleiben. Je nach Sender gibt es zudem eine Quote von 15 bzw. 30 Prozent für ungarische Produktionen und von 10 bzw. 20 Prozent für gemeinnützige Sendungen.

Der Zuschlag sollte nach einem Punktesystem vergeben werden, das sowohl das gebotene Geld als auch das Programm bewertet. Am meisten hatte die mit der Baubranche verbandelte börsennotierte US-Medienbeteiligungsgesellschaft CME geboten, die u.a. in Tschechien, in der Slowakei, in Slowenien und Rumänien hochprofitable TV-Sender betreibt: Sie wollte umgerechnet 112 Millionen Mark zahlen. MTM-SBS, an dem neben Disney der weltfünftgrößte im Mediengeschäft Viacom (u.a. MTV) und das bayerische Tele München des Filmhändlers Herbert Kloiber (RTL 2) beteiligt ist, bot 84 Millionen. Die CLT-Ufa schließlich, die sich mit Ungarns Telefongesellschaft Matav zusammengetan hatte, schrieb 75 Millionen Mark ins Gebot. Zudem muß die Steuer für zwei Jahre im voraus bezahlt werden. Damit war der Wettbewerb der bislang teuerste überhaupt. Ein Teil des Geldes soll in die Modernisierung der finanzschwachen und technisch veralteten staatlichen Fernsehprogramme fließen – von denen zwei mit dem Sendestart ihre Antennenfrequenzen aufgeben und auf Satelliten ausweichen müssen.

Obwohl die CME schon wegen der Summe als sicherer Gewinner galt, wählte der ORTT, in dem auch eine Reihe von Parteipolitikern sitzen, die beiden anderen. Offizielle Begründung: ihre Programmplanung entspreche am meisten den gesetzlichen Anforderungen. Ungarische Kommentatoren dagegen sprachen von einer politischen Entscheidung. Mutmaßliche Hintergründe: Die regierenden Sozialisten hätten den westeuropäischen Lobbies nachgegeben, die in Budapest zuvor mächtig antichambriert hatten. Außerdem hieß es, die Regierung habe sich mit der konservativen Opposition auf eine Einflußverteilung in den beiden Privatsendern geeinigt. Regierungschef Gyula Horn bestritt Anfang Juli, daß die Entscheidung politisch motiviert gewesen sei, und dementierte Gerüchte, daß Bundeskanzler Kohl persönlich zugunsten der CLT-Ufa interveniert habe.

Mit der Opposition ausgekungelt?

Weil die CME auch im Fall der Privat-TV-Lizenzvergabe politische und ökonomische Mauscheleien vermutet, hat sie gegen die Entscheidung des Rundfunk- und Fernsehausschusses geklagt. Eine Revision erwarten ungarische Beobachter allerdings nicht. Auch die CLT-Ufa hält an ihren Planungen fest, wie Heinz Thym sagt. Die größte Zeitung Ungarns, Népszabadság, stellte resigniert fest: „Die Bewerbung würde fachgemäß verlaufen, die Entscheidung objektiv sein, lautete das Versprechen. Wieder sind wir um eine Illusion ärmer geworden.“ Keno Verseck/lm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen