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Auch Krenz bedauert

■ Letzter DDR-Staatschef erstmals aussagebereit im Politbüro-Prozeß

Berlin (AP) – Der letzte DDR- Staats- und Parteichef, Egon Krenz, hat die Maueropfer bedauert, den Vorwurf des Totschlags an Flüchtlingen aber zurückgewiesen. Zum erstenmal nach eineinhalbjähriger Verfahrensdauer zeigte sich der ehemalige Reformkommunist gestern bereit, im Politbüro-Prozeß vor dem Landgericht Berlin Fragen nach seiner Verantwortlichkeit zu beantworten. Er sagte, es gebe in den Prozeßakten keinen Hinweis darauf, daß er ein Totschläger sei. Die Existenz eines speziellen Schießbefehls auf Flüchtlinge bestritt er nachhaltig. Die Toten an der Mauer waren laut Krenz das Ergebnis der Konfrontation der Weltmächte an einer Grenze, die in ihrer Art „einmalig in der Weltgeschichte“ gewesen sei. Keine Institution der DDR, auch nicht das SED-Politbüros, hätte die Macht gehabt, am sogenannten Grenzregime etwas zu ändern. Dieses sei als eine „Frage von Krieg und Frieden“ allein von der Sowjetunion entschieden worden. Die Alternative zum Grenzregime sei Krieg gewesen. Krenz warf der bundesdeutschen Justiz Heuchelei vor, wenn sie bei der Beurteilung der damaligen Lage die Zwänge nicht berücksichtige, unter denen die DDR existiert habe. „Jeder Tote hat der DDR geschadet“, rief er unter Anspielung auf das internationale Ansehen der DDR aus.

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